24/7

24 Stunden, 7 Tage die Woche.
Für die Nichteingeweihten: Gemeint ist die Unterwerfung unter den Partner, nicht die Öffnungszeit des Supermarktes. Von manchen wird die Variante als TPE bezeichnet, Total Power Exchange, andere schließen einen Sklavenvertrag, der den submissiven Part ganz dem Dominanten übereignet.
Das ist keine Rolle, die man spielen, keine fremde Haut, in die man schlüpfen kann.
Wer sich für solch eine Beziehung entscheidet, muss es ganz tun: von ganzem Herzen, mit seinem Körper, mit allem, was ihn ausmacht.
Warum tut jemand das? Weil er sich danach sehnt, alle Verantwortung wegzuschieben? Weil er glaubt, es sei ein Zeichen der unendlichen Liebe? Weil er sich nur so geschützt fühlt, aufgehoben, umsorgt? Ich setze voraus, dass es ihm ein zwingendes Bedürfnis ist, keine oktroyierte Idee des dominanten Parts.
Mein Problem mit dieser Lebensweise ist Folgendes: Trifft jemand, der keine Entscheidung mehr selbst trifft, diese Entscheidung freiwillig? Kann ein Mensch an einem Tag, zu einer Stunde beschließen, dass er seinen freien Willen für die Zukunft abgeben wird? Wenn ja, wie lange gilt dann dieser Beschluss? Wer übernimmt für ihn das Denken, das Wollen? Auch das Sich-Trennen-Wollen? Das Ende finden?
Ich änderte meine Meinung schon oft. Tut das nicht jeder? Erhalte ich neue Informationen, nehme ich mir das Recht heraus, meine Meinung zu ändern. Sei es in politischer Hinsicht oder in Bezug auf eine Arbeitsstelle, die ich kündige. Bei Freundschaften, die man manchmal beenden muss, bei Ehen, die auseinandergehen.
Kann das jemand, darf das jemand, der seinen Willen abgegeben hat?
Wer eine Szene oder Session abbrechen will, kann das mit einem Safeword tun oder auch mit einem klaren Nein. Geht das auch mit einer 24/7-Beziehung? Ist es dann überhaupt eine, wenn ich sie doch so einfach auflösen kann?
Ich glaube nicht, dass das auf Dauer funktioniert. Mir ist bedeutend lieber, ich bin meinem Partner trotz der Unterwerfung gleichgestellt. Das hört sich widersinnig an, nicht wahr? Mag sein, aber für mich ist es die einzige Methode, der einzige Weg. Ich überlasse ihm gern die Entscheidungen, unterwerfe mich gern seinen Forderungen, aber nur so lange ich es vertreten kann, es mit meinem Willen übereinstimmt. Hilfreich ist dabei sicherlich, dass in einer langjährigen Beziehung die Ziele weitgehend gleich sind und die Lebensweise sich einem Fluss gleich schon lange ihr Bett gegraben hat.
Was ich also freiwillig im Einzelfall tue, müsste ich pauschalieren, womöglich alle meine Rechte in einem „Vertrag“ hergeben, dafür Pflichten übernehmen.
Aber ich habe auch so viele Pflichten, eine besonders wertvolle davon ist die, für unsere Partnerschaft und für meinen Geliebten alles zu tun. Würde ich meinen Willen abgeben, müsste ich selbst diese Aufgabe nur noch auf Anweisung ausführen.
Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Oder habe ich den Gedanken nicht zu Ende gedacht?

Nimmt man eine andere Definition von 24/7, nämlich die bedingungslose Liebe zu einem Menschen, passt der Schuh schon besser:
Ich liebe meinen Mann. Sein Wohlergehen ist in meinen Augen wichtiger als mein eigenes Wohlergehen. Das bedeutet, dass ich bei jeder Entscheidung, die ich treffe, automatisch frage, ob sie mit dieser Einstellung konform geht. Das mag sich auf das Essen beziehen, das ich koche, aber auch auf die Frage, wie wir Erspartes besser anlegen, auf das bessere Kissen in einem Hotelzimmer oder das bessere Fleischstück vom Grill.
Letztendlich bedeutet es auch, mich seiner Entscheidung zu unterwerfen, wenn sie sich als besser für ihn erweist, wenn sie ihm, seiner Zufriedenheit, seinem Wohlergehen – und damit letztendlich mir – zugutekommt.
Das ist auch eine Art von Unterwerfung, die ich ganz freiwillig tue, einfach, weil ich es will. Und nur aus Liebe, ohne irgendeinen Zusammenhang mit BDSM oder D/s oder 24/7. Einfach so.
D/s ist sehr facettenreich. Mit Sicherheit gibt es viele unter euch, die 24/7 anders sehen, es nach besonderen Regeln leben, ihre ganz offizielle Unterwerfung mit Vertrag und Halsband und ehrfürchtigem Knien genießen. Vielleicht aber gehören gerade sie der Gruppe an, die trotzdem ihren Willen behalten hat, und wissen, dass sie jederzeit diesen Zustand beenden können. Vielleicht lebt ihr einfach euer normales Leben und wartet nur auf die Geste des Partners, die euch in die Sub-Rolle befördert.
TPE oder 24/7 gehört für mich ins Reich der Träume. Bedingungslose Unterwerfung gibt es für mich nur, wo eine Frau entführt und zur Sklavin gemacht wird. Immerhin eine neue Idee für einen Roman, oder?
Mich würde interessieren, wie ihr darüber denkt. Nicht nur die, die es leben, sondern auch die, die es nicht leben.
Habt einen schönen 24.07., wie immer ihr in erleben wollt,
Margaux
PS: Mein Mann liebt mich genauso. Deshalb steht für ihn mein Wohlergehen an erster Stelle. Ein heftiger Konflikt, wenn es darum geht, das „Bessere“ zu verteilen. Aber was wäre das Leben ohne Konflikte?

19 Gedanken zu “24/7

    • Zumindest, wenn man die schärfste Auslegung dieser Lebensweise zugrunde legt. Und genau das ist für mich so unvorstellbar. Ich muss und will eigenständig bleiben, auch wenn ich gerne meine „Entscheidungsfreiheit“ zeitweilig abgebe.
      Danke für deinen Kommentar, skywalkerlein!

  1. Ich kann das, was du geschrieben hast, sehr gut nachvollziehen und stimme dir zu, denke ich. Ich finde das Konzept auch etwas bedenklich. Es scheint mir nicht gesund zu sein. Vielleicht sollte sich die Person, die so etwas anstrebt, ganz genau fragen, warum eigentlich.

        • Ich möchte nicht so weit gehen, nach einer Therapie zu verlangen, da ich befürchte, dass jedem Menschen in irgendeiner Weise oder nach irgendeiner Auslegung zu einer Therapie geraten werden könnte. Ich frage mich vor allem, ob die Grundsätze des BDSM, safe, sane, consensual, da noch ihre Anwendung finden.

          • Naja, wenn du einen guten sklavenhalter hast, wahrscheinlich schon. Ansonsten: keine Ahnung. Da kommt es dann vielleicht auf jede Sklavin oder jeden Sklaven einzeln an. Seine rechte stehen ja hoffentlich auch im Vertrag. Wenn er sie jedoch durchsetzen will, ist er dann noch Sklave? Kompliziert

  2. Mir gehen ganz ähnliche Gedanken beim Stichwort 24/7 durch den Kopf. Es liegt vermutlich daran, dass ich sofort Assoziationen mit Sklaverei, Diktatoren und anderen totalitären Lebensumständen habe. Nachdem ich die „Geschichte der O“ und „Rückkehr nach Roissy“ gelesen hatte, sind meine Vorbehalte eher noch größer geworden.
    Du hast allerdings einen Aspekt in Deinem Text, der mich nachdenklich macht – 24/7 ist nur ein Schlagwort, was sich dahinter in der individuellen Partnerschaft verbirgt, machen die Partner miteinander aus. Die Liebe zu einem Partner ist 24/7 und wird nicht einfach zwischendurch mal abgeschaltet…
    Deine Gedanken sind ein guter Start in den 24.7
    😉

    • Danke, 64er!
      Ja, genau, Liebe, Ehe, feste Partnerschaft, das alles muss 24/7 sein (für mich zumindest).
      Meine Version von 24/7 nennt sich dann auch wohl EPE – Erotic Power Exchange – wie ich inzwischen herausgefunden habe.

      Wie immer man es auch bezeichnen mag, jeder soll natürlich das leben, was ihn und seinen Partner glücklich macht, aber eben auch seine (und seines Partners) Motive hinterfragen …

  3. Ich setze voraus, dass es ihm ein zwingendes Bedürfnis ist, keine oktroyierte Idee des dominanten Parts.

    Was ist, wenn eine..ich sage mal…junge und in „normalen“ Beziehungen völlig unerfahrene Dame in so einer Beziehung landet und sagt, sie will das so? Das die Kontrolle also ihr Ding ist?

    Was ist, wenn jemand, der keinen wirklichen Draht zu BDSM hat, also sozusagen ein „Normalo“, das erheblich anzweifelt und sich dann fragt, ob diese Frau das so will, weil er das eben so will? Das sie sich also entschließt, einem Kontrollfreak totale Kontrolle zu geben?

    Ist das also ein echter Entschluß (ihr Standpunkt)?
    Ist das geistige feindliche Übernahme von ihr durch ihn, sei das jetzt bewußt oder unbewußt (so sehe ich das)?

    TPE oder 24/7 gehört für mich ins Reich der Träume. Bedingungslose Unterwerfung gibt es für mich nur, wo eine Frau entführt und zur Sklavin gemacht wird.

    Besten Dank, das sehe ich nämlich genau so.

    Aber was macht man mit einer Borderline&PTBS-Frau in einer D/S-Beziehung, die genau solche Züge aufweist?
    Ich meine, es ist ja trotzdem eine Beziehung, auch wenn ich das geistig nicht ganz durchdringe. Ich halte es nur auf Dauer für schädlich für sie. Für einen Fehler. Für gefährlich, wenn man ihre Vergangenheit bedenkt (die ist scheiße) und ihr Alter (noch nicht 20).

    Kann man so jemandem helfen? Braucht so jemand überhaupt Hilfe? Hält man sich da raus und läßt sie mit dem Schiff untergehen?

    Ich bin für Erleuchtung sehr dankbar…

    • Hallo Einhorn,

      das ist natürlich der komplizierteste Fall, den Du da ansprichst.

      Du fragst, ob man jemandem mit Borderline & PTBS helfen kann. Dazu kann ich Dir nur sagen: Bist du ein Fachmann? Nein? Dann tut es mir leid, aber mit Sicherheit kannst Du das nicht.
      Braucht sie Hilfe? Mit Sicherheit, auch wenn es vermutlich nicht unbedingt eine Heilung geben wird, eher ein Zurechtkommen, Damit-leben, es in Grenzen halten (nach allem, was ich davon gehört/miterlebt habe).
      Hält man sich da raus? Puh, natürlich nicht, wenn Dir die Person sehr wichtig ist. Und doch ja, denn es nutzt nichts, sie zu etwas zu drängen. Nur wenn sie von sich aus Hilfe sucht, wird sie sich auch helfen lassen. Natürlich darf man sie sanft hinschubsen …

      Was die D/s-Beziehung angeht: Das halte ich für keine gute Idee, aber Du wirst ihr nicht vorschreiben können, was sie will. Vermutlich glaubt sie, in einer solchen Beziehung Sicherheit zu finden, aber ich fürchte, dass für den Dom (Dich?) das Ganze ein so sensibles Konstrukt ist, dass Du kaum Chancen hast, alles richtig zu machen. Die Gefahr, dass Du einen Punkt erwischst, der ihr schadet, der sie abstürzen lässt, ist enorm groß.

      Tut mir leid, wenn ich Dir keine bessere Antwort geben kann. Ich bin schon versucht, die übliche Formel darunter zu setzen: Das stellt keine Beratung dar, nur meine persönliche Meinung. Okay, da steht es nun, weil es zutrifft.

      Du weißt sicher, dass Ferndiagnosen unmöglich sind, aber ich rate zu Vorsicht und Beratung bei kompetenten Personen.

      Ansonsten: Viel Glück Dir/Euch,
      Margaux

      • Hi Margaux,

        danke für die Antwort.
        Und nein – der Dom bin nicht ich. Das waren, seitdem ich sie kenne/kannte zwei andere Herren. Wobei ich dem aktuellen nich traue, ich halte diesen Typen für einen narzisstischen Kontrollfreak.

        Aber danke, daß du eine D/S-Beziehung da wohl auch für eher ungünstig hältst. Ich kann der Person da nicht wirklich helfen, aber ich habe jetzt sechs Monate lang versucht, sie zumindest psychisch zu stabilisieren. Ich bin kein diplomierter Fachmann. Aber ich bin das, was man heute so HSP nennt, ich war schon immer gut in solchen Sachen. Und ich sitze bzw. saß in ihrem Kopf, wenn man so will. Wie sie mal sagte: Du verstehst mich besser als ich mich selber.

        Was mir bei ihr leider nicht genützt hat. Ja – ich bin der Typ, der sie liebt. Aber halt anders anders als sie. Ich persönlich beschreibe mich immer gerne als „bißchen schizo mit zuviel Empathie dazu“. HSP/eingefleischter Junggeselle trifft Borderline/Sub/PTBS-Jugendliche. Nitro und Glyzerin 😉

        Sie hat sich da jetzt auf was eingelassen, das ich für auf Dauer mindestens ungünstig, im schlechtesten Falle gefährlich halte. Es ist ganz hilfreich, daß Urteil von jemanden bestätigt zu sehen, der sich in diesem Aspekt sicher besser auskennt als ich.

        Aber gut – ich habe ihr diese Einschätzung schon mitgeteilt. Ich denke, mehr kann ich nicht tun. Danke nochmal 🙂

        • Gern geschehen, auch wenn ich damit nicht wirklich helfen kann.
          Eure Beziehung klingt wirklich nach eingebautem Sprengstoff …
          HSP kann ich nicht einschätzen, klingt auf den ersten Blick fantastisch, auf den zweiten nach „Zuviel“. Sie kann sich glücklich schätzen, jemanden zum Auffangen gefunden zu haben (in Dir), aber der Job könnte für Dich sehr aufreibend werden.
          Halt die Ohren steif. Alles Gute für Dich,
          Margaux

          • Sie kann sich glücklich schätzen, jemanden zum Auffangen gefunden zu haben (in Dir), aber der Job könnte für Dich sehr aufreibend werden.

            Ich wollte, daß wäre sie. Für einen Moment war sie glücklich, denke ich. Aber die „Beziehung“ hat sich bereits erledigt 🙁
            Und ja – aufreibend ist da diplomatisch.

          • Mir scheint, Dich beschäftigt diese Beziehung noch sehr. Vielleicht auch, weil Du hofftest, ihr helfen zu können? Bleib bei der Aussage

            Für einen Moment war sie glücklich

            stehen. Punkt.

      • Vermutlich glaubt sie, in einer solchen Beziehung Sicherheit zu finden,

        Ja, das glaubt sie allerdings. Sie steht voll auf Kontrolle, eine absolut Passive. Von ihrer Seite aus ist sie schwer verliebt. Und das glaube ich ihr sogar. Trotzdem habe ich da sehr viel Angst um sie. Aber ich kann eben auch nichts tun.

  4. Mein 24/7 ist auch eine Ehe, in der ich sowieso rund um die Uhr bei ihm bin. In meinen Gedanken, in meiner Planung und erst recht zu Hause. Wir haben das Machtgefälle erst seit kurzem, weil ich das wollte. Und ich wollte es immer 24/7. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt keine Meinung mehr habe oder alles von ihm kontrolliert wird.
    Wir wissen von einander Passwörter und Zugangscodes. Auch von den Konten. Das heißt, er könnte mich wie in einer TPE Beziehung kontrollieren. Nur Vertrag wird es sicher keinen geben. Mal abgesehen davon, dass so ein Sklavenvertrag keine Rechtsgültigkeit hat.
    Haue gibt’s bei uns nicht, ich bin mehr der Typ Demütigung.
    24/7 ist immer das, was man draus macht. Und eigentlich nur eine Bezeichnung für ein RundumdieUhr Machtgefälle. So sehe ich das.
    Diese Extreme von denen Ihr da gesprochen habt. kann ich mir nur bei Menschen vorstellen die auf irgend eine Weise ein Problem haben. Egal ob es ein Mann ist, der es nötig hat, so vollkommen die Macht über seine/n Sub zu haben oder ein/e Bottom, der sich selbst aufgeben will.
    Wobei ich zugebe, dass so eine M/s Geschichte mich kickt und in meinen Fantasienen seit meiner Jugend eine Rolle spielen. Aber nur da!!!

    • Liebe Gabi,
      ja, ja, die Fantasie – genau da liegt aber für manche das Problem. Eine solche Fantasie kann selten mit der Realität mithalten, weshalb ich da auch äußerst vorsichtig bin.

      Eure Ehe klingt sehr interessant und so, als ob Ihr Euch das gut überlegt hättet. Und natürlich ist der Begriff 24/7 eben nicht festgelegt, und umfasst letztlich das, was man draus macht.
      Danke für Deinen Kommentar!

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