BenutzBar – Club Cuffs and Whips

BenutzBar April 17 kleinAm 15.04.2017 erscheint eine (100-seitige) Kurzgeschichte aus dem BDSM-Club Cuffs and Whips. Die Storys bilden eine lose Reihe, sie sind in sich abgeschlossen. Man kann jederzeit einsteigen, ohne die vorherigen gelesen haben zu müssen.

Interessiert? Dann lies weiter.

So geht es los:

Ich stehe mit äußerstem Widerwillen vor dieser Tür, aber ich schaffe es, ein nichtssagendes Lächeln aufzusetzen, ehe sie geöffnet wird.

„Hi, ich bin Joe. Was kann ich für dich tun?“, begrüßt mich der Riese. Nach der Beschreibung meines Chefs dürfte das der Besitzer sein.

„Ich bin hier, um etwas für Sie zu tun, Herr Kupfer.“ Ich mag nicht kumpelhaft mit den Mandanten umgehen, besonders nicht mit einem, der einen solchen Club betreibt. „Mein Name ist Natalie Portner von der Steuerkanzlei Habermann & Söhne. Ich soll mit Ihnen einige Fragen klären. Herr Habermann hat einen Termin vereinbart.“

„Ah ja, Natalie. Komm rein. Bitte nenne mich Joe, es ist bei uns üblich, sich mit Vornamen anzusprechen.“

Diese Vertraulichkeit ist mir zutiefst zuwider. Aber ich nicke. Er ist der Kunde. „Joe.“

Ich trete ein, wenngleich sich alles in mir sträubt. Würde er ein Hotel betreiben oder eine Kneipe, wäre es die natürlichste Sache der Welt, sich die Örtlichkeit anzuschauen – aber das hier? Ein BDSM-Club?

Ich setzte alles daran, diesen Auftrag nicht annehmen zu müssen. Doch mir als jüngster Mitarbeiterin steht nicht zu, eine übertragene Aufgabe rundheraus abzulehnen. Ich biss also die Zähne zusammen und überwand mich. Herr Habermann meinte, in meinem Alter sei ich aufgeschlossener als die übrigen Mitarbeiter und wüsste wohl am besten mit den Besonderheiten eines solchen Etablissements umzugehen.

Das habe ich nun davon, dass ich mit dreiundzwanzig als Jahrgangsbeste meinen Master gemacht habe! Man unterstellt mir sexuelle Offenheit. Dabei bin ich durch und durch konservativ erzogen worden und keinesfalls experimentierfreudig. Wäre ich sonst Steuerberaterin geworden?

Herr Kupfer, nein: Joe hat mich ein Stockwerk höher in ein Büro geführt. Zumindest das sieht einigermaßen normal aus. Ich habe unten weder rechts noch links geschaut, ich will das nicht sehen. Immerhin hat mir das Treppensteigen Zeit gegeben, meine Miene ein weiteres Mal zu justieren und den krampfhaft neutralen Gesichtsausdruck zu festigen. Ich werde mir meinen Ekel nicht anmerken lassen, dazu bin ich zu professionell. Lächeln muss ich deshalb noch lange nicht.

Joe setzt sich hinter den Schreibtisch und bietet mir den Platz davor an. Mein Blick fällt auf ein überlebensgroßes Bild an der Wand. Körper, ineinander verschlungen, zwei Männer und eine Frau, nur die Torsi. Die Nippel der Frau sind riesig und mit einem goldenen Piercing verunziert. Die Männer schmiegen sich eng an Rücken und Bauch der Frau, erdrücken sie beinahe. Ihre Haut ist leicht gerötet, als wäre sie erregt. Auf ihrem Hintern hat die Röte die Form einer Hand, als wäre sie eben erst geschlagen worden, was mir die Gesichtszüge kurzzeitig entgleisen lässt. Es kostet mich so viel Kraft, mir nichts anmerken zu lassen, dass ich mir vorkomme wie ein Dampfkessel unter Druck.

Wer macht solche Bilder und wer hängt sie sich auf? Die Antwort ist einfach – ein Perverser wie dieser Joe. BDSM. Das sagt doch schon alles. Schmerzen, Schläge, Hundeleinen, wilder Sex in tausend Kombinationen. Kontrollverlust.

Ich habe diverse Berichte darüber im Fernsehen verfolgt, überall tauchen sie auf. Meist sehe ich fasziniert zu, unfähig abzuschalten, aber eines ist gewiss: Das ist nicht mein Ding. Die Frauen werden erniedrigt und missbraucht, da bin ich sicher. Wer lässt sich mit blutigen Striemen zeichnen, wer krabbelt freiwillig auf dem Boden vor einem Mann herum?

„Hans sagte mir, dass du jetzt zuständig bist. Er erwähnte, es gäbe Probleme mit Teilen unserer neuen Einrichtung für den Ausbau. Es war mein Vorschlag, dass du dich einmal bei uns umsiehst, damit du weißt, um was es geht. Kann ich dir vor dem Rundgang schon erste Fragen beantworten?“

Glaubt er wirklich, ich wollte seinen Schmuddelclub anschauen? Cuffs and Whips. Handschellen und Peitschen gehören in Romane, nicht in die Realität.

„Joe, ich weiß nicht, ob ein Rundgang nötig ist. Wir können bestimmt das Meiste hier klären.“ Ich krame die Unterlagen aus dem Aktenkoffer. Sicher wird er mich nicht aus seinem Büro lotsen, solange zweihundert Formulare vor mir liegen.

„Wir haben die Kostenvoranschläge bekommen und sollen Ihre – äh: deine – Kalkulation überprüfen.“ Mein Ton ist kühl und geschäftsmäßig. „Es gibt zwei Probleme. Das eine betrifft die Anlagegüter der Einrichtung an sich, das andere die Frage der Nutzungsdauer und damit der Abschreibung. Mein Chef erwähnte, dass es in dieser Hinsicht bereits früher Komplikationen gegeben habe und es mit dem Finanzamt zu einer gesonderten Einigung gekommen sei?“

„Ja, genau. Die Abschreibung der üblichen zehn Jahre auf Betten kann hier nicht angewendet werden. Wir einigten uns deshalb für viele Teile auf die Bezeichnung Polstermöbel und auf die festgelegte Abschreibungsdauer von fünf Jahren. Das gleiche Problem stellt sich nun wieder. Wir müssen jedes Einzelteil einordnen lassen.“

Zumindest weiß er, um was es geht. Das ist hilfreich. Ich mag es nicht, wenn ich einem völlig unbedarften Menschen, der glaubt, eine Kneipe aufmachen zu können, die Zuordnung jedes Besteckteils und jeder Blumenvase aus Omas Keller erklären muss.

Er richtet sich auf, selbst im Sitzen ist er ein Riese. „Was die Einordnung der Anlagegüter betrifft, hat es ebenfalls schon Diskussionen gegeben. Dem will ich dieses Mal entgehen, indem ich abkläre, wie wir das am besten handhaben.“

Das Telefon klingelt und er schaut auf das Display. „Entschuldige bitte. Das ist wichtig.“

Ich versuche, nicht hinzuhören, aber wie soll das gehen, wenn seine Seite des Gesprächs das einzige Geräusch im Raum ist?

„Angel, was gibt es? Ich bin in einer Besprechung.“

„Kann Richard die Erben alle auftreiben? Wir brauchen die gesamte Erbengemeinschaft für die Zustimmung.“ Seine Körperspannung nimmt bei der unhörbaren Erwiderung sprunghaft zu.

„Wer, der Sohn?“

„Richard soll das gleich erledigen. Kannst du ihm Bescheid geben?“

„Verdammt. Nun gut, dann muss ich selbst hin.“

 Er macht eine kurze Pause. Sein Mundwinkel zuckt. „Danke, Angel. Sag deinem Herrn, er soll dich nicht zu sehr beanspruchen. Ich möchte noch meinen Anteil haben!“ Seine Augen blitzen auf und er schluckt.

Mir dreht sich der Magen um. Herr? Beanspruchen? Anteil? Ich wusste es doch: pervers!

Er wendet seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. „Mein Partner, über dessen Kanzlei der Kauf des Nachbargrundstücks abgewickelt werden soll, hat festgestellt, dass einer der Erben ins Ausland geht. Sollten wir die Unterzeichnung des Kaufvertrages nicht bald über die Bühne bringen, würde das zu enormen zeitlichen Verzögerungen führen. Ich muss mich darum kümmern.“

Jetzt ist er ganz Geschäftsmann. Er nimmt den Telefonhörer wieder in die Hand, ohne einen Kommentar von mir abzuwarten. Ich habe keine Idee, wie ich darauf reagieren soll. Sein Ton nahm einen anderen Klang an, er wirkt sehr viel bestimmender als vorher, längst nicht mehr jovial.

„Ben, ich brauche dich. Führe bitte Natalie, unsere Steuerberaterin, durch den Club und weise sie auf die Besonderheiten hin. Sie hat Fragen zur Planung, die du anhand der jetzigen Einrichtung und deren Verwendung klären kannst. Ich muss kurzfristig weg.“

Nach einer winzigen Pause und einem kurzen „Danke!“ legt er auf.

„Natalie. Du hast gehört, wie es weitergeht. Ben, einer meiner Mitarbeiter, wird sich deiner annehmen. Er ist schon einige Zeit bei mir und kann dir die meisten Fragen beantworten. Es tut mir sehr leid, aber wenn ich das Projekt durchziehen will, kommt es jetzt auf diese Unterschrift an.“

Er steht auf und packt ein paar Unterlagen zusammen.

Es klopft an der Tür. „Ben, Natalie. Natalie, Ben.“ Die schnellste Vorstellung, die möglich ist. Nun gut. Er ist nicht unhöflich, nur unter Zeitdruck.

Ben, ein sehr gutaussehender Mann mit dunklen Augen und einem schön geschwungenen Mund, nickt mir zu und fordert mich mit einer Handbewegung auf, ihm vorauszugehen. Kein Schwätzer, was? Ich zögere und betrachte ihn ausgiebig. Wie sieht ein Perverser aus?

Er ist von mittlerer Größe, etwa einsachtzig, dunkelhaarig und gebräunt. Südländer? Er wirkt sonnengeküsst, sehr attraktiv. Besonders auffällig ist sein Körperbau. Sportler, vielleicht Bodybuilder. Jedenfalls ein unglaublich breites Kreuz und ein entsprechender Brustkorb, Oberarme wie ein Preisboxer und Beine, die kaum in eine handelsübliche Hose passen. Er trägt eine dieser Baggyjeans, die ich so hasse. Sie sieht aus, als wollte sie an den Oberschenkeln aufplatzen. Immerhin hängt sie ihm nicht bis in die Kniekehlen, was bei einem Alter von geschätzt dreißig auch ganz schön blöd wirken würde.

Ich fühle mich unbehaglich. Vielleicht liegt es an seiner Art, mich anzusehen. Abschätzend. Taxierend. Ach ja, diese BDSMler halten doch Sklaven. Möglicherweise will er meinen Wert schätzen für die nächste Versteigerung. Ich schlage die Vorderteile meines Trenchcoats eng um mich.

Fürchterlich. Was mich am meisten stört an diesen Kerlen, ist deren Frauenbild. Die denken, Frauen sollten immer und überall zur Verfügung stehen und seien nichts wert, höchstens zum Stiefellecken. Solange sie nicht selbst einer Frau die Stiefel ablecken. Zu welcher Seite gehört der Kerl?

Wir stehen im Erdgeschoss in einem großen Raum ähnlich einer Hotellobby. Die Einrichtung wirkt luxuriöser und dekadenter zugleich. Leder, dicke Polster, viel Schwarz. Auf einer Seite ist eine Bar, unbeleuchtet, mit einer Theke und Hockern davor, von denen einer knallrot ist, der Rest aus schwarzem Holz und Leder. Nun gut, dass ein Ausschank zu dem Club gehört, wusste ich bereits. Es gibt anderes, das ich nicht weiß.

Möchte ich es wissen? Möchte ich sehen, was in einem solchen Club passiert? Ich weigere mich, meine Neugier einzugestehen.

Zum Glück sind nachmittags keine Gäste da, der Betrieb beginnt sicher erst nach Anbruch der Dunkelheit, damit niemand sieht, wer hier hereingeht. Ich stelle mir vor, wie Menschen in dunkle Mäntel gehüllt und mit Kapuzen tief in die Stirn gezogen einen Block vorher aus einem Taxi steigen und unauffällig hereinhuschen. Abartig!

„Leg deinen Mantel ab, Natalie. Im Club ist es warm, die Temperaturen sind auf knappe Bekleidung ausgelegt.“

Ja, ich weiß, ich habe die Heizkostenabrechnung des letzten Jahres gesehen.

Leider hat er recht, mir ist warm. Es war heute schon herbstlich draußen und ich musste mich warm anziehen, um den Weg vom Auto herzulaufen. Ich parkte ziemlich weit weg. Niemand soll meinen Wagen hier sehen.

Ben verstaut den Mantel in einer Garderobe gleich hinter dem Eingang. Sie scheint recht geräumig. Nicht nur Kleiderhaken, sondern geräumige Spinde. Oh. Die Gäste ziehen sich hier vermutlich um oder sogar aus. Bestimmt müssen die Frauen nackt sein, damit die Männer sie begaffen und begrabschen können.

„Was willst du sehen?“ Ben steht mit maximal drei Zentimeter Abstand vor mir. Diese Augen mit den dichten, langen Wimpern, der dunklen Iris, sind traumhaft. Nein, Quatsch, ich falle doch nicht auf ein paar schöne Augen herein.

Er will mich sicher mit einem Blick bezwingen. Ich werde nicht vor ihm zurückweichen. Ich habe keine Angst vor dem schwarzen Mann. Meine Unabhängigkeit ist mir sehr wertvoll, Emanzipation sowieso. Ob er überhaupt weiß, wie man mit einer modernen Frau umgeht?

Ich besinne mich wieder auf meinen Auftrag.

„Bei den Kostenvoranschlägen geht es um eine Küche. Nun gibt es aber schon eine im Gebäude. Außerdem wurde keine Gastronomieküche angeboten, sondern eine Haushaltsküche. Ich fürchte, dass das Finanzamt das nicht akzeptiert. Gibt es einen Grund für die geplante Anschaffung?“

„Aber ja. Folge mir, Natalie.“

Ich folge. Ob dieser Muskelprotz überhaupt weiß, wovon ich rede? Er hat mit Sicherheit noch keine Küche von innen gesehen, geschweige denn Ahnung von Anlagegütern und Betriebsausgaben. Braucht er ja auch nicht als Aushilfe in einem solchen Club.

Er geht zuerst zu einer Art Wandschrank, in dem Schalter versteckt sind, wie sich zeigt. Das Licht geht an. Nein, es flammt nicht, wie ich es erwartet hatte, sondern es glüht. Die Beleuchtung ist … nun ja, schwer zu beschreiben. Viel indirektes Licht, nicht zu grell, nicht zu schummerig. Kein rotes Licht, keine flackernden künstlichen Fackeln. Wirklich recht hell. Man kann ganz gut sehen, muss ich sagen, ohne dass man geblendet wird. Eine angenehme Überraschung.

„Komm mit, Natalie.“ Er führt mich durch einen Gang zu einem Raum, abgetrennt von einer normalen Tür. Dahinter verbirgt sich ein schmaler Flur, von dem er mich in einen weiteren Raum schleust. Eine Art Teeküche. Kompakt, aber nicht eng oder schäbig.

„Das war die Küche für die Angestellten. Sie wurde allerdings nie genutzt. Wir können jederzeit an der Bar etwas trinken, und wenn wir Hunger haben, essen wir oben im Gastronomiebereich. Es stellte sich heraus, dass kaum jemand die Pause hier verbrachte, sondern nur im Club selbst.“

Aha. „Liegt es daran, dass diese Küche zu nah an den, äh, Gastzimmern liegt? Mich würde es auch stören, wenn direkt nebenan die Gäste, äh, sich, äh, aufhalten würden.“ Sind meine Formulierungen neutral genug?

Er hat die Augenbrauen hochgezogen. „Nein, daran lag es nicht. Die Unterhaltung ist einfach besser im Club. Niemand möchte alleine in den Personalräumen sitzen, wenn draußen die Action ist.“

„Oh.“ Ich kann dazu nichts weiter sagen, muss es erst einmal verdauen.

„Wir haben eine andere Verwendung gefunden. Genau genommen war es Joes Idee. Er hat die Personalküche genutzt, um diese Idee auszuprobieren, zu sehen, ob sie von den Gästen angenommen wird. Nun, es hat sich gezeigt, dass dem so ist. Deshalb wird es in dem Anbau eine größere Küche geben, möglichst original.“

„Welche Idee?“ Ich weiß, dass ich nicht fragen sollte, aber ich muss. Schließlich bin ich deswegen gekommen.

„Es gibt Paare, die hier ihren Kink ausleben wollen. Die oder der Sub soll putzen, spülen, auch kochen. Bei manchen geht das zu Hause nicht, wegen der Kinder oder Eltern im Haus, andere leben alleine und können nur hier solche Rollenspiele genießen. Wir waren nicht sicher, ob Nachfrage besteht, aber diese Küche ist seit ihrer Öffnung quasi der Geheimtipp und wird mehr genutzt als der Klinikraum.“

Seine Erläuterung macht mich sprachlos.

Das Wort Klinikraum ist hängengeblieben. Mich schüttelt es bei der Vorstellung.

Aber Kochen? Spülen? Was soll das denn? Er sieht mir meine Ratlosigkeit wohl an, vielleicht auch meinen Abscheu.

„Stell dir einfach vor, ein Paar, sagen wir mal eine Domme und ihr Subby, kommen hier herein. Sie befiehlt ihm, die dreckigen Teller zu spülen, nackt natürlich, oder nur mit Schürze. Vielleicht mit Gummihandschuhen, manche mögen das. Er macht einen Fehler, der Teller ist nicht sauber. Dann greift sie nach diesem Bratenwender“, er nimmt aus einem auf der Arbeitsplatte stehenden Edelstahlkorb einen hölzernen Spatel, „und verdrischt ihm damit den Hintern.“

Ben macht eine Pause und beobachtet meine Reaktion.

Ich starre ihn an wie ein dreiköpfiges Ungeheuer. Was erzählt er da?

„Vielleicht kannst du es dir besser vorstellen, wenn es sich um ein Mf-Paar handelt? Der Dom geht mit seiner Sub in diese Küche.“ Er klingt wie eine Kindergartenerzieherin. „Sie soll ihm etwas zu essen richten. Die Sub geht zum Kühlschrank, holt Käse, Schinken und Salat, schiebt Brot in den Toaster und bereitet ein Sandwich zu. Der Dom hat nun verschiedene Möglichkeiten. Er kann zum Beispiel die Käsescheibe, die zu Boden gefallen ist, von der Sub ohne Benutzung der Hände aufessen lassen.“

Ben starrt mir in die Augen. Ich komme mir vor wie ein Insekt unter dem Mikroskop. Meine Augen dürften so groß sein wie Suppenteller.

„Er kann die Mayonnaise nehmen, sich seinen Schwanz damit einreiben und verlangen, dass sie es ableckt.“

Verdammt, ich kann diese Bilder, die da durch meinen Kopf rasen, nicht unterdrücken.

„Oder er benutzt das Brot als Knebel, spankt sie mit dem Kochlöffel und bringt sie dann mit dem Griff des Schneebesens zum Höhepunkt.“

Mein Herz rast und mein Hirn macht sich selbständig. Ein Holzschneidebrett wäre auch geeignet, um damit verhauen zu werden. Honig könnte von Brüsten und der Klit geschleckt werden. Mein Milchaufschäumer, der in meiner Hand vibriert, hat mich schon früher auf schlimme Gedanken gebracht. Ein Muskel im rechten Lid zuckt, vielleicht kommt es von der Anstrengung, nur ja keine Miene zu verziehen.

„Auf jeden Fall kann man in einer Küche alle Machtspiele initiieren, die zuhause nur Fantasie sein dürfen. Herr und Dienstmagd. Putzmann und Hausfrau. Oder wie wäre es mit Klempner und kaum erwachsener Tochter des Hauses? Lieferant und Hausherr? Milchmädchen und Butler? Chauffeur und Köchin?“

Seine Stimme wird zu einem Rauschen in meinen Ohren. Was sagt er da? Wie können Worte alleine solche Filme ablaufen lassen? Die Szenen folgen zu schnell aufeinander. Die Vorlauftaste ist mehrfach gedrückt und zeigt mir Tableaus, angefeuert von allen Sexfilmchen, die das Internet so hergibt; von den kaum jugendfreien Szenen, die im Fernsehen zu sehen sind; von Fantasien, die ich aus Büchern kenne und aus Geschichten im Netz.

Ich kann ihn riechen. Ben ist mir so nah, dass sein Geruch mich vollständig umgibt. Hitze strahlt von ihm aus wie von meinem Heizstrahler im Bad. Deshalb ist mir so warm. Ich fühle mich verschwitzt. Ich bin sicher, wenn ich meine Stirn berühre, ist sie feucht. Das ist unangenehm, denn dann rieche ich vielleicht auch. Nach Schweiß, nach Erregung, nach mir.

Halt! Ich fliehe aus dem Raum, stoße an den Türrahmen, torkele unbeholfen durch den Flur. Er ist hinter mir und ich fühle mich verfolgt. So dicht, gleich hat er mich!

Seine Hand umspannt meinen Oberarm. Er bewahrt mich davor, kopfüber in eine der Säulen zu rennen, die in der Mitte der Lobby steht.

„Langsam, Natalie. Bitte tu dir nicht weh.“

Ich bleibe auf wackligen Beinen stehen und reiße mich so gut es geht zusammen. Verdammt! Wie konnte ich so ausrasten? Ich hasse es, meine Gefühle offenzulegen. Dieser Blödmann ist schuld, er hat mir seine Fantasien aufgezwungen, das ist alles!

„Bitte lassen Sie mich los!“ Ich versuche, meinen Arm aus seinem Griff zu befreien, aber er gibt nicht nach. Nicht, dass es wehtun würde, er hält mich einfach nur.

„Ich lasse erst los, Natalie, wenn du sicher auf deinen Beinen bist. Ich werde verhindern, dass du dich verletzt.“

Arroganter Arsch! Natürlich kann ich auf meinen Beinen stehen! Meine Absätze sind nur fünf Zentimeter hoch, alles andere sähe im Büro zu aufdringlich aus. Ich kann auf viel Höheren laufen, wenn ich das will. Nicht, dass ich Gelegenheit dazu hätte. Man zieht Schuhe mit so hohen Absätzen wie meine schwarzen Edelpumps nicht auf jede Party oder Veranstaltung an. Aber ich habe darin geübt. Zuhause. Allein.

Ich drücke die Knie durch, eine äußerst ungesunde Haltung, die Standfestigkeit vortäuscht. „Es geht schon. Lassen Sie mich los!“

„Es hat mir besser gefallen, als du bitte gesagt hast.“ Seine Hand ist weg. Er lässt mich nicht mehr aus den Augen. Glaubt er, ich würde ihm vor die Füße fallen? So ein Blödsinn! Und was soll das heißen? Will er mich betteln hören?

Er tritt einen winzigen Schritt zurück. „Du erwähntest noch ein Problem? Etwas Konkretes oder eine allgemeine Frage?“

Wie kann er so unberührt erscheinen? Ich schlucke, obwohl mein Mund trocken ist, und greife auf die jahrelang eingetrichterten Formulierungen zurück. „Eher allgemein. Die Ausstattung der Zimmer besteht zu großen Teilen aus Polstermöbeln. Wie ist das möglich? Sind es nicht eher Betten, die hier benötigt werden?“ Schließlich schläft hier jede mit jedem, da wird man wohl einige Betten benötigen.

„Ich zeige dir unsere Räumlichkeiten. Du solltest dir selbst einen Eindruck verschaffen.“

Genau das wollte ich nicht. Auf keinen Fall.

Aber verdammt, ich bin auch neugierig. Wer würde nicht die Chance nutzen, solch einen Club anzusehen?

Ben geht voran und zeigt mir die vier Räume im Erdgeschoss. Ich bin platt. Ja, da stehen Betten, besser gesagt Liegen, aber auch und vor allem immer neue Gestelle. Aus Eisen, aus Holz. Der kalte Stahl wirkt hart und gemein, die Haken daran befördern Geschichten von Folter in meinen Kopf, die mich abstoßen.

Dann die Schlagwerkzeuge an den Wänden. Alle Arten von Peitschen, die man sich vorstellen kann. Was tun diese Leute damit? Gibt es das wirklich? Schläge, Auspeitschungen, Rohrstöcke? Ich höre kein Wort von dem, was Ben erklärt. Das Lauteste in meinen Ohren ist mein Herzschlag und ein Rauschen. Vielleicht das Blut, das durch die Adern rauscht. Kein Wunder bei der Herzfrequenz.

„Natalie. Geht es dir gut?“

Ich schaue zu ihm. Er wirkt größer als vorher, die Beleuchtung bringt Ecken und Kanten in seinem Gesicht hervor, die ich eben nicht gesehen hatte. Er wirkt teuflisch, ja, das ist es. Unwirklich. Bedrohlich.

„Ich muss gehen! Ich komme ein andermal wieder, ich habe noch einen Termin!“

Der Weg zum Ausgang ist gekennzeichnet von Notausgangsschildern, sonst hätte ich ihn nicht gefunden. Die Tür geht schwer auf, aber ich schaffe es. Das Adrenalin, das meine Flucht gefördert hat, gibt mir die Kraft dazu. Erst als sie hinter mir ins Schloss fällt, bleibe ich aufatmend stehen. Es ist mehr Keuchen als Atmen, bestimmt war die Luft da drinnen sehr stickig. Meine Aktentasche halte ich mit beiden Händen vor der Brust umklammert und schaue sie verständnislos an.

Ein Geräusch lässt mich herumfahren. Ich starre in Bens Gesicht.

„Dein Mantel, Natalie. Du willst dich doch nicht erkälten?“ Er sieht hier draußen weniger diabolisch aus, mehr wie ein normaler Mann. Ganz ruhig steht er da in seinem T-Shirt, als könne ihm die Kälte nichts anhaben, die mir schon unter den Rock kriecht. Er gibt mir meinen Mantel und nimmt mir im Austausch vorsichtig die Tasche ab. Hat er Angst, ich würde sie ihm um die Ohren hauen?

Während ich die Knöpfe schließe, fallen mir seine Nippel auf, die sich hart durch das Shirt drücken. Ah, ihm ist also doch kalt! Es macht ihn etwas menschlicher.

Dann erst fällt mir auf, dass ich ihn unverblümt anstarre, von allen möglichen Stellen ausgerechnet seine Nippel! Was ist in mich gefahren? Wenn er mir so auf die Brust starren würde, hätte ich ihm längst die Tasche übergebraten. Ich spüre die Hitze, die vermutlich mit Röte einhergeht. Wie peinlich!

Er lächelt mich an, stolz, zufrieden mit sich, als hätte ich ihm ein Lob ausgesprochen. Ich habe doch gar nichts gesagt! Ich werde auch nichts sagen!

„Bis zum nächsten Mal, Natalie. Mach dir Gedanken um das, was du hier gesehen hast.“

„Äh, ja, mache ich. Bis dann, Ben.“ Da sind sie hin, meine Vorsätze.

Ich bin nur höflich.

Wie meinte er das mit dem ‚Gedanken machen‘?

Ach ja, ich war beruflich hier, wegen der Klärung verschiedener Probleme. Ich muss darüber nachdenken, ja genau.


Wer weiterlesen möchte, darf sich das E-Book bei Amazon kaufen oder ausleihen.

4 Gedanken zu “BenutzBar – Club Cuffs and Whips

  1. Wie heißt das in dem Liedchen doch gleich? „…zweimal werden wir noch wach, heißa dann…“
    Ich kann’s kaum erwarten, schon den ersten Teil von „Club Cuffs and Whips“ habe ich verschlungen!

  2. Pingback: Rezension: Margaux Navara - Benutzbar | Tomasz Bordemé

  3. Hallo Margaux Navara,
    Ich habe die Leseprobe von BenutzBar – Club Cuffs and Whips soeben durchgelesen und finde deine Schreibweise genial. Ich könnte mich so richtig in ide Protagonistin Natalie hineinversetzen und habe dennoch an vielen Stellen sehr humorvolle aspekte der Vorurteile genossen.
    Ich werde mir die Ganze geschichte runterladen und zur gemüte führen, den es verspricht eine Durchaus nette erfahrung zu werden.
    LG Ein Gast

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