„So, so. Sie schreiben also Erotik?“
„Ähm, ja.“ Warum genau fühle ich mich ertappt? So ein Blödsinn! Dem Kerl sollte es ganz egal sein, womit ich mein Geld verdiene. Er soll nur meine Buchhaltung prüfen. Also richte ich mich auf, mache mich ungefähr zehn Zentimeter größer und schaue ihm in die Augen. Blaue Augen. Ein wenig stechend, aber das kann auch von der nach oben gezogenen Augenbraue kommen. Oder von der Nase, lang und herrisch, die meinen Blick auf sich lenkt. Wie die Nase … Oh Gott, ich kann das Kichern, das in mir aufsteigt, kaum zurückhalten.
„Ja, ich schreibe Erotik. Sogar richtig harte. Fast schon Porno“, sage ich aufgesetzt mutig und halte den Gedanken von eben fest. Ich bin Autorin, also kann ich ihn in eine Geschichte einbauen. In einen Porno natürlich. Der Finanzbeamte und die Schreiberin. In meinem Kopf lehnt er sich zurück, breitbeinig, und legt eine Hand auf seinen geschwollenen Schwanz, der die Hose ausbeult.
„Hart? Was verstehen Sie unter hart?“
Fuck, so genau wollte ich ihm das nicht erklären. Aber egal, ich kann das. Ich bin immerhin eine erfolgreiche Erotik-Autorin, also muss ich mich nicht verstecken. Das lenkt meinen Blick auf seinen Schritt, den ich noch geradeso hinter der Tischkante erkennen kann. Er sitzt tatsächlich mit weit gespreizten Beinen da. Irgendeine kleine Bewegung von ihm lenkt meine Aufmerksamkeit zurück auf sein Gesicht.
Werde ich rot? Ich hoffe nicht! Ablenkung, jetzt sofort. „Nun, harte Erotik. Also BDSM, Dominanz und Unterwerfung und so.“ Ich klinge schon wieder demütiger, fast schon entschuldigend. Ich habe erst hinterher gemerkt, dass meine Stimme am Ende nach oben ging. Eine Frage sollte das nicht sein, sondern eine Feststellung. Ich reiße mich zusammen. „Ich bin keine Unbekannte.“
„Dass Sie erfolgreich sind, sehe ich an Ihren Zahlen.“ Seine Hand spielt mit dem Kugelschreiber. Dreht ihn zwischen den Daumen und Zeigefinger. Gepflegte Finger, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet. Er ist Beamter, er wird Zeit haben, sich zu pflegen. Seine Arbeit bringt ihm jedenfalls keinen Schmutz unter die Fingernägel.
„Ja, meine Zahlen. Deshalb sind Sie hier.“
„Deshalb bin ich hier. Wie kommt es denn zu den Schwankungen?“
Ich schwanke auch ein wenig. Mal auf ihn zu, mal weg von ihm. „Manche Romane sind nicht so erfolgreich wie andere.“
„Und woran liegt das?“ Er wirkt ernsthaft neugierig. Beugt sich vor, schaut mich offen an, das Drehen des Kugelschreibers hat aufgehört.
„Ich weiß es nicht genau. Mal sind es die Protagonisten. Mal die Story. Oder der Klappentext. Das Cover?“ Schon wieder ende ich mit einer Frage. Als ob er mir die beantworten könnte.
„Das Cover?“
Wieso muss er alles wiederholen? Das irritiert mich. Verunsichert mich. Sollte man nicht einem Finanzbeamten selbstsicherer gegenübertreten? Seine Position vertreten, voller Überzeugung? Na gut, das kann ich mir ja für die wichtigen Fragen aufheben. Zum Beispiel für die Frage, warum ich ein Doppelzimmer gebucht hatte für die Messe, auf der ich doch offiziell alleine war. Ich rutsche auf meinem Stuhl herum, spanne die Muskeln in meinem Beckenboden an, was mich ein Stück nach oben bewegt, und erstarre mitten in der Bewegung. Mein Zappeln verrät meine Unsicherheit.
Was hat er gefragt? Worauf sollte ich antworten? Ach ja … „Ja, ich hatte zum Beispiel einen Roman, da kam das Cover nicht so an.“
„Was war denn auf dem Cover?“
„Nicht der übliche heiße Typ mit nacktem Oberkörper. Sondern ein Paar. Das wirkte zu … soft.“
„Und soft sind Ihre Bücher nicht, wie Sie schon sagten. Dann sollten Sie auch keine soften Cover verwenden.“
Will er mir jetzt in meine Arbeit reden? Das geht so nicht. Ich betrachte ihn von oben bis dahin, wo sein Unterkörper unter dem Tisch verschwindet. Bewusst und ganz langsam. „Sie haben Recht. Ich werde keine soften Cover mehr verwenden. Nur noch harte Kerle.“
Er lehnt sich zurück, dabei öffnet sich das Jackett und entblößt das weiße Hemd, das seinen Oberkörper bedeckt. Seine Hand dreht den Kugelschreiben jetzt um die Längsachse und ich sehe, wie sich die Muskeln unter dem Hemd bewegen. Gut gebaut ist er ja. Auf seinem ausgeprägten Brustmuskel meine ich, einen Nippel zu entdecken. Nur einen, der andere ist unter dem doppelten Stoff der Brusttasche versteckt. Hübsch. Na gut, mehr als hübsch. Ansprechend. Und das ist eindeutig wichtiger als hübsch.
Mir wird bewusst, dass ich mit ihm alleine in der Wohnung bin. Nicht gut, nicht gut. Ablenkung! Mein Kopfkino rast nämlich gerade mit mir davon. Wie er aufsteht, auf mich zukommt, sich ganz dicht vor mich stellt, seinen Gürtel …
„Und das letzte Buch? Es war sehr erfolgreich, scheint mir. Lag es daran, dass Sie es auf Messen vorgestellt haben?“
Ich schlucke trocken. Auf dem letzten Cover war so einer wie er. Nur nackter Oberkörper, die Hose gerade so tief auf den Hüften, dass man sofort das Bedürfnis hatte nachzusehen, was sich unter der Hose verbarg. Ich zumindest. Ich gebe zu, ich springe auf solche Bilder an wie ein Aufziehhase auf drei Umdrehungen. „Ja, die Messe. Genau. Es muss die Messe gewesen sein.“ Oh Gott, ich darf nicht an die Messe denken. Und an das, was ich in diesem Doppelzimmer … Nein, halt!
„Stimmt das Gerücht eigentlich?“
„Welches Gerücht?“ Hat er von der Beschwerde gehört? Aber wie …
„Dass Erotikautorinnen alles erst ausprobieren, ehe sie darüber schreiben können.“ Er betrachtet mich irgendwie von oben herab, obwohl wir auf gleicher Höhe sind. Abschätzend. Keinesfalls geifernd, wie ich es jedem anderen unterstellt hätte. Nein, er fragt nicht, um sich daran aufzugeilen, er will es wirklich wissen.
Bilde ich es mir nur ein, oder hat da etwas gezuckt? Nein, nein, ich werde nicht genauer hinschauen. Ich habe mich im Griff. Ich fahre nicht auf jeden hergelaufenen Finanzbeamten ab, nur weil er einen Body wie ein Covermodell hat. Auch nicht wegen seiner ausnehmen schönen und so agilen Finger. Und schon gar nicht wegen seiner langen Nase.
Ich atme tief durch und werde mir erst mitten in der Bewegung bewusst, was diese Atmung mit meinem Brustkorb macht. Oh Mist. Aber er hat sich im Griff. Außer einem Aufglimmen in seinem Blick zeigt er keine Reaktion.
Wo waren wir? Ach ja, ausprobieren. Soll ich ihm erzählen, woran ich gerade schreibe? Von dieser Szene im Hotelzimmer, wo er sie von hinten und an die Scheibe gedrückt nimmt? Oder von dem, was sie vorher gemacht haben und weswegen der Zimmernachbar so heftig an die Wand geklopft hat? Mein Herz klopft genauso laut und heftig, wie ein Nachhall dieser Nacht. Einer langen Nacht. Mit einem Mann, der nichts weiter war als ein Studienobjekt. Einer, der das S von ONS sehr ernst nahm und so lange stand, bis ich nicht mehr konnte. Weder im Stehen noch auf allen vieren. Oh Mann …
Ich räuspere mich. „Nun ja, kommt drauf an. Man sollte sich die Orte schon angesehen haben, von denen man schreibt.“ Und Männer lassen sich auch am besten studieren, wenn sie möglichst nah sind. Das Gefühl muss man einfach erlebt haben. Wie sonst sollte ich diese Szenen so authentisch weitergeben, wie ich es tue?
„Nur die Orte? Auch Stellungen? Oder Situationen?“ Er lässt seinen Stuhl ein kleines Stück zurückrutschen. Dann nimmt er den Kugelschreiber und hält ihn vor sich auf Brusthöhe fest. Seine Finger öffnen sich. Der Stift fällt zwischen seinen weit gespreizten Beinen zu Boden. Ein leises Klonk, das sich anhört wie ein Glockenschlag.
Ich bin mittendrin in der Szene. Aber sowas von. Geil bis zur Halskrause. Nein, bis zur Oberlippe. Meine Zunge leckt von alleine darüber. Mein Stuhl scharrt laut über den Holzboden. Meine Stimme ist rau, aber ich muss etwas sagen. „Sie haben den Stift fallen lassen. Kann ich Ihnen helfen?“
„Oder ich Ihnen?“ Keinen Zentimeter bewegt er sich. Macht keine Anstalten, den Kuli aufzuheben. Sitzt da, arrogant, siegessicher, schaut mich an und wartet.
„Man soll die Chancen nutzen, die sich bieten“, sage ich und rutsche fünf Zentimeter auf dem Stuhl nach vorne, was meine Sitzfläche genau auf die Kante bringt. Wenn ich das Becken nach vorne kippe, berühren meine geschwollenen Schamlippen die Stuhlkante und die Naht meiner Jeans übt Druck auf die Klitoris aus. Nice.
„Und seinem Finanzbeamten Respekt zollen.“
„Aber sollten Sie nicht prüfen?“
„Tue ich ja. Den Erfolg Ihrer Bücher. Wir wollen doch nicht, dass die Zahlen beim nächsten wieder einstürzen?“
„Wollen wir nicht.“ Wie von selbst rutscht der Stuhl noch ein Stück zurück. So weit, dass ich mich auf die Knie herablassen kann. Von hier unten kann ich sein Gesicht nicht mehr sehen, dafür seine Beine und seinen Schritt. Einen gut ausgestatteten Schritt, Stoff, hinter dem eine Schlange auf mich wartet. Wie das sprichwörtliche Kaninchen krieche ich darauf zu.
„Diese Prüfung überlasse ich Ihnen“, höre ich seine Stimme über mir. „Den Erfolg haben Sie in der Hand.“
„Noch nicht“, murmle ich. „Noch nicht.“
Wenn du mehr lesen willst, zum Beispiel eine erotische Weihnachtsgeschichte von mir, dann solltest du „Dear Santa“ lesen. Sechs Storys von sechs Autorinnen, alle erotisch, mal härter, mal zarter, mal fantastisch. Das Buch gibt es für Kindle (auch Kindle Unlimited) und als Taschenbuch (nur bei Amazon).
Nachtrag zur Geschichte oben:
Ich bin Autorin. Das heißt, ich habe eine lebhafte Fantasie … Oder was dachtest du?
Pingback: SMBlogparade reloaded | Tomasz Bordemé
Pingback: SM-Blogparade – Whispered Stories – Das Tagebuch einer Sklavin
Hallo Marqaux,
ich liebe deine Kurzgeschichten, deine „Spiel“ mit den Worten. Sie lassen immer viel Raum für die eigene Fantasie. Gut dass du die Geschichte der Betriebsprüfung erst nach der Buchpassion veröffentlicht hast, mein Kopfkino lässt mich aktuell nicht mehr los.
Viele Grüße
Uwe
Kopfkino ist immer gut … Viel Spaß damit! 😉
Und danke für deine Worte! Es war nett, dich zu treffen!