Der Blick aus dem Fenster

Ich öffne nur langsam meine Augen. Mein Blick wird angezogen von dem hellen Rechteck des Fensters. Bilderbuchhimmel, weiße Schäfchenwolken vor hellblauem Hintergrund. Ein Ast eines Baumes ragt in den Ausschnitt, den ich sehen kann. Eine Linde? Nein, die Blätter sind größer. Blaue Blüten erscheinen vor meinem inneren Auge. Ein Blauglockenbaum könnte es sein, der im Frühjahr so spektakulär blüht.

Ich müsste mal im Frühjahr vorbeikommen …

Aber war ich da nicht schon hier?

Vielleicht liegt es daran, dass ich für gewöhnlich einen anderen Ausschnitt sehe. Mehr Himmel, weniger auf Augenhöhe. Und dann sind meistens die Rollläden unten. Aber nicht heute. Heute ist es hell im Zimmer, wenngleich meine Augen sich erst an die Helligkeit gewöhnen mussten, nachdem er mir die Maske eben erst abgezogen hat.

Ich würde gerne nachsehen, wie er schaut. Ist er zufrieden? Mit sich, mit mir? Doch dazu müsste ich mich weit vorbeugen. Nein, lieber nicht. Seine Hände liegen entspannt auf meinen Schenkeln. Wer weiß, ob er mich auffangen würde, wenn ich das Gleichgewicht verlieren würde.

Etwas juckt unter dem Halsband. Ein Haar vermutlich, das sich darunter verfangen hat. Ich halte ganz still, damit es sich nicht bewegt, dann hört bestimmt auch das Jucken auf. Das Halsband ist echt eine Nummer. Viel größer als die anderen. Witzig, wie etwas, das dazu gedacht ist, mir meine Stellung tief unten vor Augen zu halten, zugleich so viel Stolz auslösen kann. Die Haltung, in die es mich zwingt, den Kopf so hoch erhoben, dass meine Nase nach oben zeigt, drückt nämlich eher Hochmut aus. Der Blick entlang der Nasenspitze zeigt mir nur seinen Haarschopf, noch mehr von oben herab geht gar nicht. Das bringt mich zum Lächeln.

Trotzdem würde ich gerne das Haar entfernen, denn auch ohne große Bewegung juckt es weiterhin. Besser, ich konzentriere mich auf meine Hände, vielleicht genügt es ja, wenn ich mir vorstelle, wie ich eine Hand hebe und meinen Finger unter das sehr eng sitzende Halsband schiebe. Ein bisschen, wie er es getan hat, als er mich in sein Schlafzimmer geführt hat. Er hielt die Leine ganz kurz und sein Zeigefinger bohrte sich unter das Leder. Ich bin ziemlich sicher, dass es sein Zeigefinger war. Eine kleine Geste, die mir Zutrauen gab, eine zärtliche Berührung in einem harten Spiel, für die ich dankbar war.

Aber gut, ich kann nichts tun solange meine Hände noch so gefesselt sind. Er macht jedenfalls keine Anstalten, sie abzunehmen. Seine Finger streicheln meine Haut gedankenverloren. So zart, solch ein Gegensatz zu den harten Schlägen, dem Zupacken und Quetschen meiner Brüste, dem fiesen Zerren an meinen Nippeln, die sich noch so empfindlich anfühlen. Ich lasse das Gefühl aufleben. Mh, die perfekte Mischung aus Schmerz und Lust. Meine Muschi zuckt in der Erinnerung, zieht sich genussvoll zusammen.

Als Antwort erhalte ich ein zarten Pochen, ein zaghafter Nachhall des vorhin noch so enormen Zuckens in mir. Erwacht er wieder? Wird er in mir anschwellen? Die Vorstellung erfüllt mich mit einer Mischung aus Freude und Gier. Stärker als Vorfreude. Dabei bin ich müde, geschafft. Diese besondere Müdigkeit, die mich immer nach einem heftigen Orgasmus umfängt, ein verträumtes Schweben, so wie die Blätter da draußen, die aus diesem Blickwinkel aussehen, als würden sie in dem zarten Wind davonfliegen wollen und hingen nicht fest an einem Ast.

War es mein Zucken oder sein Pochen, das die Feuchtigkeit hat fließen lassen? Ich schätze, dass er meine Muschi wie ein Pfropf verschlossen hatte und deshalb die Mischung aus seinem Sperma und meinen Säften in mir gehalten hat. Jetzt schleicht es sich aus mir heraus, ich kann spüren, wie es meiner Spalte folgt und nach unten läuft, zu meinem Anus.

Ich meine, dort noch das Gleitgel zu spüren, mit dem er mich großzügig eingerieben hat. Kühl war es, jetzt ist es vermutlich in der Hitze zwischen unseren Körpern größtenteils verdampft.

Erneut ein Grund, dem Gefühl nachzuspüren. Dem Ausgefülltsein, dem Ausgeliefertsein. Hilflos zwischen Muskeln und Sehnen, Händen und Mündern eingeklemmt zu sein.

Wie sich die Blätter wiegen, während die Wolken nur ganz langsam weiterziehen. Aber es ist ja noch nicht viel Zeit vergangen. Ich höre die Spülung nebenan. Das Klappern des Mülleimerdeckels liegt sicher erst zwei oder drei Minuten zurück.

Während ich mir jede Berührung in Erinnerung rufe, jedes Gefühl, jeden Schmerz und meine eigene, so überwältigende Lust, die ich eben erleben durfte, verfolge ich die Geräusche. Der Wasserhahn, das Ende des Rauschens, dann die Tür und endlich Schritte.

Der Mann unter mir regt sich. „Hilfst du ihr von mir runter, ich muss auch mal ins Bad.“

„Klar. Komm her, ich hebe dich hoch.“

Arme umschließen mich, heben mich an, der erschlaffte Schwanz gleitet aus mir und entlässt einen Schwall von Flüssigkeit auf das Bett unter mir. „Ich schätze, du kannst sie gleich mitnehmen, sie hätte eine Dusche nötig.“

„Klar. Sie kann sich in die Wanne stellen, dann können die Fesseln bleiben, wo sie sind. Na komm, folge mir.“

Ich werde auf die Füße gestellt. Endlich sehe ich etwas anderes vor mir als das Fenster. Eine Männerbrust, zwei Arme halten mich an den Oberarmen. Eine andere Hand greift nach meinem Halsband. „Du kannst auf den Knien ins Bad, das würde mir noch besser gefallen.“

In der Wanne, während er mir seine und meine Säfte abduscht, kann ich wieder aus einem Fenster sehen, nur sehe ich hier einen anderen Ausschnitt. Häuser. Gärten. Die Welt.

Schade. Ich will noch gar nicht zurück in die Welt. Ich will hierbleiben, will mich treiben lassen wie die Wolken, will mich bewegen lassen wie die Blätter am Baum. Will Spielball sein zwischen den beiden und mich füllen lassen von ihrer Gier und meiner Lust.

Ein kleiner Ausschnitt nur in meinem Leben. Ein Fenster in eine andere Welt.

 

Foto: GeorgeRudy ©depositphotos.com

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2 Gedanken zu “Der Blick aus dem Fenster

  1. Manchmal, wenn ich deine Texte lese, wird mir ganz warm.
    Es ist so, als ob Du dich zurückziehen kannst, wie in einem Schneckenhaus, aber mit einem Fenster nach draußen.
    Es scheint, aber nicht wie ein Fliehen, sondern vielmehr, wie ein Ankommen, ganz bei sich selbst sein.
    Lieben Gruß
    martin

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