Der richtige Zeitpunkt

Ich höre es sofort beim Eintreten. Die Wohnung ist nicht leer. Du bist zuhause.

Nein, nicht nur du. Da ist ein dumpfes Geräusch, eine Stimme, die sich nicht nach dir anhört, sondern eindeutig männlich klingt.

Ich bleibe im Flur stehen, erstarrt, dafür alle Sinne auf die Geräusche gerichtet. Mein Herz stolpert, dann rast es mit doppelter Geschwindigkeit weiter.

Dieses Stöhnen kenne ich. Das kommt von dir. Das gleiche Stöhnen, das ich erst gestern von dir hörte, aus deiner Kehle, ganz nah an meinem Ohr. Vor nicht einmal 24 Stunden, als mein Schwanz in dir steckte, als mein Arme dich hielten, als mein Mund dich küsste, meine Zunge über deine Brüste leckte, meine Zähne sich in deinen Nippel gruben.

Darunter – mindestens eine, nein, eher zwei Oktaven tiefer – eine andere Stimme. Ein Grollen, nicht ganz Grunzen, aber auch keine Worte, zumindest nicht verständlich. Rhythmisch, langsam, genießerisch. Als würde er seinem tiefen Wohlbefinden auf eine primitive, animalische Art Ausdruck verleihen.

Ich streife lautlos meine Schuhe ab, dann das Sakko, die Krawatte. Lasse den Stoff fallen, wo ich gerade stehe. Der Flur erscheint mir heute so viel länger als sonst. Noch ein Schritt, noch einer. Ich stoße an etwas, mein Blick zeigt mir ein anderes Paar Herrenschuhe, fast die gleiche Größe, ebenfalls schwarz, glänzend, gepflegt wie meine. Auf eine seltsame Art bin ich dir dankbar, dass du deinem Stil treu bleibst. Hätte ich Birkenstock-Sandalen vorgefunden, wäre ich bis auf die Knochen enttäuscht, aber so …

Die Tür steht ein Stück offen, sonst hätte ich euch nicht so gut gehört. Dein halbgeknurrtes „Mmh“, sein antwortendes „Fuck!“ Ich sehe durch die halbdurchsichtige Tür Bewegung. Ihr seid auf dem Bett zugange. Ich erkenne schwarzen Stoff an dir, du trägst noch deinen BH. Den, den wir erst vor wenigen Wochen gekauft haben. Ich war dabei, als du ihn aussuchtest, wartete vor der Umkleidekabine darauf, dass du ihn mir zeigtest, mir den Blick durch einen kleinen Schlitz erlaubtest. Als ich eintreten wollte, hast du mich mit einer Hand auf der Brust davon abgehalten, hast einen Finger auf die Lippen gelegt um anzuzeigen, ich solle leise sein, mir mit Blicken zu verstehen gegeben, dass auf beiden Seiten andere Frauen sind, die uns hören würden. Ich habe nachgegeben, wenn auch widerwillig.

Noch in der Nacht habe ich dich gefickt, ohne die Unterwäsche, nur mit der Erinnerung an das Bild, mit der Vorstellung, wir würden es in der Kabine treiben, nur von einem Stück Stoff von den Wartenden getrennt, durch dünne Wände von nackten Frauen in den Kabinen nebenan. Du hast mich angespornt mit der Beschreibung, wie du uns im Spiegel siehst, wie du die Füße vor dem Vorhang erkennen könntest, was die Frauen sagen würden, sobald sie aus den Geräuschen schließen mussten, was wir trieben.

Ich bin hart alleine von der Erinnerung daran. Oder einfach von dem, was ich hier sehe? Von deinem Körper in dem Arm eines anderen Mannes? Noch bin ich nicht sicher. Was soll ich tun, was werde ich tun? Soll ich wie in einem schlechten Film in den Raum stürmen, ihm die Nase blutig schlagen und ihn mitsamt seiner feinen Schuhe hinauswerfen? Oder nicht? Aber was dann? Soll ich zusehen, wie ein Wildfremder meine nackte Frau fickt? Das widerstrebt mir enorm.

Trotzdem stehe ich hier vor der Tür wie ein Spanner und schaue zu, wie er dich auf seinem Schoß wiegt, wie er deine Brüste über dem BH küsst, wie seine Hand den Stoff zur Seite schiebt und sein Mund sich über deinem Nippel schließt. Sieht er die Beißmarken von gestern? Sieht er die Spuren, die ich in an dir hinterließ? Oder sollten sie bereits verblasst sein? Das wäre schade. Ich merke mir vor, dass ich beim nächsten Mal weniger Rücksicht nehmen werde.

Ist das pervers? Dass ich dich zeichnen will, damit ein anderer Mann sieht, was ich mit dir tue? Ich hinterlasse nämlich keine Male dort, wo man sie auf den ersten Blick sehen kann. Nur dort, wo sie von Kleidung verdeckt werden. Es sei denn, du entkleidest dich …

Aber noch bist du nicht ganz nackt. Nicht nur trägst du noch den BH, sondern auch deinen Slip. Ich kann ihn erkennen, kann das schwarze Band aus Spitze um deine Hüfte erkennen, weiß, dass ein noch dünneres Band durch deine Arschspalte nach unten geht zu dem kleinen Dreieck, das deine Scham kaum verdeckt. Schon gar nicht, wenn deine Schamlippen geschwollen sind vor Lust. Sind sie es schon? Zeigen sie sich zu beiden Seiten des Stoffes? Oder hat er sie gar in den Spalt gezwängt, als er mit seinen Fingern an dir zugange war, vielleicht schon in dir? Ich hätte es getan, hätte den Stoff gepackt, ihn nach oben gezogen, bis er deine kleine Klit liebkost hätte, bis er zwischen deine Lippen geschmiegt worden wäre, durchtränkt von deinen Säften.

Ich kenne dich so gut. Ich weiß, dass du feucht bist, dass deine Säfte fließen, wenn du so stöhnst wie jetzt, wenn du deine Hüften windest, wenn du deine Brüste vorreckst, damit er sie beißen und lecken kann. Er? Oder ich?

Seine Hand macht sich am Verschluss zu schaffen, er ist soweit. Er möchte dich endlich ganz haben. Der BH fällt, er grinst siegessicher. Wäre jetzt der richtige Zeitpunkt? Nein, ich lasse ihm noch Zeit. Er soll genauso verrückt sein vor Lust, wie ich es bin, wenn ich so kurz vor dem Erreichen meines Ziels stehe. Dann werde ich eingreifen, dann werde ich tun, was ich tun muss.

Wird er so vorgehen wie ich es tun würde? Wird er dir Schmerzen zufügen, dich schlagen, deine Brüste so hart kneten, dass du dich nicht zwischen Schmerz und Lust entscheiden kannst, dass du im einen Augenblick vor mir zurückweichst, nur um mir dann deine Brüste wieder anzubieten wie Eva den Apfel?

Seine Augen leuchten vor Gier, er presst dich fest an sich. Jetzt streckt er seine Zunge aus und leckt durch das Tal zwischen deinen Brüsten, nach oben, durch die Kuhle an deiner Kehle, über die Kehle bis zum Kinn. Du hast es mit geschlossenen Augen hingenommen, aber ich habe den Schauder gesehen, der über deine Haut lief und eine Gänsehaut hinterließ, die nur langsam wieder abklingt.

Eine Hand wandert nach unten, geht unter das Band deines Slips, taucht in die Spalte, verschwindet unter deinem runden Arsch. Hat er den Punkt erreicht? Du zuckst leicht zusammen, wie du es immer tust, wenn ich dein Arschloch berühre. Ein Überbleibsel deiner Scham, ununterdrückbar. Doch du schiebst dich ihm entgegen, so dass er besseren Zugriff hat, machst ihm den Weg frei, dieser Hand, die deine intimsten Stellen erkundet. Seine Augen schließen sich für einen Moment, er hat den Honigtopf gefunden, das flüssige Gold in deiner zauberhaften Muschi. Ich ahne die Kontraktionen, die das in dir auslöst, mit denen du ihm zu verstehen gibst, dass du gefüllt werden willst, dass deine Muschi bereit ist für seinen harten Schwanz. Oder meinen?

Er zieht sich zurück, steht auf, streift die Boxershorts ab. Die gleiche Marke? Ja, aber eine andere Farbe. Für eine Sekunde bewundere ich seinen Körperbau, muskulös, aber auf eine normale Art, kein Spitzensportler, kein Gewichtpumper, nur ein Mann, der vermutlich ab und an joggt, einmal die Woche ins Studio geht. Gepflegt, rasiert, keine Schamhaare, die dir den Geschmack verderben würden, vermutlich mit dem Geruch nach einem teuren Parfum. Er ist mir ähnlich, aber nicht gleich.

Ich nutze diesen Augenblick, um einzutreten. Den Moment, in dem er nackt vor dir steht, sich bewundern lässt, sein steifer Schwanz an seinem Bauch zuckt und seine Hände sich öffnen und schließen, in dem er sich Zurückhaltung auferlegt für diese Sekunde, ehe er all seine Triebe auf dich loslässt.

Sein Blick springt zu mir. Deiner ist langsamer, dein Kopf dreht sich kontrolliert, fliegt nicht herum, wie es der Situation geschuldet wäre. Du lächelst. Einen Hauch Unsicherheit kann ich erkennen, aber auch Entschlossenheit.

Ich lasse einen Finger über deine Wange gleiten, dann über deinen Hals, tiefer, bis zu deiner Brust, packe deinen Nippel, drehe ihn und ziehe hart daran. Du stöhnst leise auf. „Böses Mädchen. Wolltest du ohne mich spielen?“

Du antwortest nicht, aber ich habe auch keine Antwort erwartet. Dein Timing war Antwort auf eine Frage, die ich nicht stellen musste. Du weißt genau, zu welcher Zeit ich zur Tür hereinkomme. Bis auf die Minute. Ich verspäte mich nicht, weil hier das Paradies auf mich wartet, ein Paradies mit allem, was mein Herz begehrt. Einer Frau, die mir meine Wünsche von den Augen abliest. Eine Frau, die sich von mir quälen lässt. Eine Frau, die alles tut, um mir zu zeigen, dass sie mich liebt.

Meine Hand wandert nach hinten, gleitet entlang deines Rückgrats nach unten. Ich gehe auf die Knie neben dem Bett, damit ich dorthin gelange, wo ich hin will. Ich finde dein Loch, den Eingang zu meinem ganz persönlichen Olymp.

„Solange dieses Loch mein ist, darf er mitspielen.“

Der Schauder, der dich erfasst, schüttelt dich durch, erleichtert mir ein kurzes Eindringen. Ich lächle, ein Lächeln, das ganz für dich reserviert ist. Für ihn habe ich das andere Lächeln, ein bisschen böser Wolf, ein bisschen Priester vor der Beichte. „Bereite sie vor, Mann. Mach sie weich und gierig.“ Dabei ziehe ich den Ledergürtel durch die Schlaufen und halte ihn hoch.

Jetzt ist der Zeitpunkt. Jetzt wird sich zeigen, ob er mir ähnlich genug ist. Nicht in den Äußerlichkeiten, sondern im Geist. Ich beobachte ihn genau, verfolge die Emotionen, die über sein Gesicht laufen, sehe, wie sein Kiefer sich anspannt, wie seine Nasenflügel beben, sein Augen einen Glanz bekommen. Diesen Glanz.

Mein Atem stockt.

Er passt zu uns wie der BH an die Brüste meiner Frau.


Foto: ©KasiaBialasiewicz@bigstockphoto.com

2 Gedanken zu “Der richtige Zeitpunkt

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