Ein kurzer Einblick

Ich stecke mitten in den Vorbereitungen für die Leipziger Buchmesse. Ja, morgen fahren wir hin und schon am Donnerstag stehe ich an meinem Stand (Halle 5, D316).

Für alle, die zuhause bleiben (müssen), gibt es heute einen kurzen Einblick in die aktuelle Story, die hoffentlich bald nach der Buchmesse in den Verkauf geht.

Es handelt sich um eine Novelle, die in die Club Cuffs and Whips-Reihe gehört, aber wie immer eine eigenständige Geschichte bietet ohne Cliffhanger. Man kann sie auch verstehen, ohne die vorherigen Storys zu kennen.

Natalie, eine Steuerberaterin, soll noch vor Erweiterung des Clubs eine Einschätzung der Absetzbarkeit abgeben. Dafür muss sie wissen, welche Einrichtungen geplant sind und wofür sie benutzt werden. Ben, einer der Aufpasser des Clubs, führt sie herum. Natalie, bisher nur auf ihre Ausbildung fixiert, findet alles, was mit BDSM zu tun hat, äußerst suspekt. Jegliche Anziehung, die Ben oder die Räumlichkeiten auf sie ausüben, ist unwillkommen und wird von ihr strikt abgestritten.


„Bei den Kostenvoranschlägen geht es um eine Küche. Nun gibt es aber schon eine im Gebäude. Außerdem wurde keine Gastronomieküche angeboten, sondern eine Haushaltsküche. Ich fürchte, dass das Finanzamt das nicht akzeptiert. Gibt es einen Grund für die geplante Anschaffung?“

„Aber ja. Folge mir, Natalie.“

Ich folge. Ob dieser Muskelprotz überhaupt weiß, wovon ich rede? Er hat mit Sicherheit noch keine Küche von innen gesehen, geschweige denn Ahnung von Anlagegütern und Betriebsausgaben. Braucht er ja auch nicht als Aushilfe in einem solchen Club.

Er führt mich durch einen Gang zu einem Raum, abgetrennt von einer normalen Tür. Dahinter verbirgt sich ein schmaler Flur, von dem er mich in einen weiteren Raum schleust. Eine Art Teeküche. Kompakt, aber nicht eng oder schäbig.

„Das war die Küche für die Angestellten. Sie wurde allerdings nie genutzt. Wir können jederzeit an der Bar etwas trinken, und wenn wir Hunger haben, essen wir oben im Gastronomiebereich. Es stellte sich heraus, dass kaum jemand die Pause hier verbrachte, sondern nur im Club selbst.“

Aha. „Liegt es daran, dass diese Küche zu nah an den, äh, Gastzimmern liegt? Mich würde es auch stören, wenn direkt nebenan die Gäste, äh, sich, äh, aufhalten würden.“ Sind meine Formulierungen neutral genug?

Er hat die Augenbrauen hochgezogen. „Nein, daran lag es nicht. Die Unterhaltung ist einfach besser im Club. Niemand möchte alleine in den Personalräumen sitzen, wenn draußen die Action ist.“

„Oh.“ Ich kann dazu nichts weiter sagen, muss es erst einmal verdauen.

„Wir haben eine andere Verwendung gefunden. Genau genommen war es Joes Idee. Er hat die Personalküche genutzt, um diese Idee auszuprobieren, zu sehen, ob sie von den Gästen angenommen wird. Nun, es hat sich gezeigt, dass dem so ist. Deshalb wird es in dem Anbau eine größere Küche geben, möglichst original.“

„Welche Idee?“ Ich weiß, dass ich es nicht fragen sollte, aber ich muss. Schließlich bin ich deswegen gekommen.

„Es gibt Paare, die hier ihren Kink ausleben wollen. Die oder der Sub soll putzen, spülen, auch kochen. Bei manchen geht das zu Hause nicht wegen der Kinder oder Eltern im Haus, andere leben in keiner Partnerschaft und genießen das Gefühl ausnahmsweise. Wir waren nicht sicher, ob Nachfrage besteht, aber diese Küche ist seit ihrer Öffnung quasi der Geheimtipp und wird mehr genutzt als der Klinikraum.“

Seine Erläuterung macht mich sprachlos.

Das Wort Klinikraum ist hängengeblieben. Uh! Mich schüttelt es bei der Vorstellung.

Aber Kochen? Spülen? Was soll das denn? Er sieht mir meine Ratlosigkeit wohl an, vielleicht auch meinen Abscheu.

„Stell dir einfach vor, ein Paar, sagen wir mal eine Domme und ihr Subby, kommen hier herein. Sie befiehlt ihm, die dreckigen Teller zu spülen, nackt natürlich, oder nur mit Schürze. Vielleicht mit Gummihandschuhen, manche mögen das. Er macht einen Fehler, der Teller ist nicht sauber. Dann greift sie nach diesem Bratenwender“, er nimmt aus einem auf der Arbeitsplatte stehenden Edelstahlkorb einen hölzernen Spatel, „und verdrischt ihm damit den Hintern.“

Er macht eine Pause und beobachtet meine Reaktion.

Ich starre ihn an wie ein dreiköpfiges Ungeheuer. Was erzählt er da?

„Vielleicht kannst du es dir besser vorstellen, wenn es sich um ein Mf-Paar handelt? Der Dom geht mit seiner Sub hier in diese Küche.“ Er klingt wie eine Kindergartenerzieherin. „Sie soll ihm etwas zu essen richten. Die Sub geht zum Kühlschrank, holt Käse, Schinken und Salat, schiebt Brot in den Toaster und bereitet ein Sandwich zu. Der Dom hat nun verschiedene Möglichkeiten. Er kann zum Beispiel die Käsescheibe, die zu Boden gefallen ist, von der Sub ohne Benutzung der Hände aufessen lassen.“

Ben starrt mir in die Augen. Ich komme mir vor wie ein Insekt unter dem Mikroskop. Meine Augen dürften so groß sein wie Suppenteller.

„Er kann die Mayonnaise nehmen, sich seinen Schwanz damit einreiben und verlangen, dass sie es ableckt.“

Verdammt, ich kann diese Bilder, die da durch meinen Kopf rasen, nicht unterdrücken.

„Oder er benutzt das Brot als Knebel, spankt sie mit dem Kochlöffel und bringt sie dann mit dem Griff des Schneebesens zum Höhepunkt.“

Mein Herz rast und mein Hirn macht sich selbständig. Ein Holzschneidebrett wäre auch geeignet, um damit verhauen zu werden. Honig könnte von Brüsten und der Klit geschleckt werden. Mein Milchaufschäumer, der in meiner Hand vibriert, hat mich schon früher auf schlimme Gedanken gebracht. Ein Muskel im rechten Lid zuckt, vielleicht kommt es von der Anstrengung, nur ja keine Miene zu verziehen.

„Auf jeden Fall kann man in einer Küche alle Machtspiele initiieren, die zuhause nur Fantasie sein dürfen. Herr und Dienstmagd. Putzmann und Hausfrau. Oder wie wäre es mit Klempner und kaum erwachsener Tochter des Hauses? Lieferant und Hausherr? Milchmädchen und Butler? Chauffeur und Köchin?“

Seine Stimme wird zu einem Rauschen in meinen Ohren. Was sagt er da? Wie können Worte alleine solche Filme ablaufen lassen? Die Szenen folgen zu schnell aufeinander. Die Schnellvorlauftaste ist mehrfach gedrückt und zeigt mir Tableaus, angefeuert von all diesen Sexfilmchen, die das Internet so hergibt; von den kaum jugendfreien Szenen, die im Fernsehen zu sehen sind; von Fantasien, die ich aus Büchern kenne und aus Geschichten im Netz.

Ich kann ihn riechen. Ben ist mir so nah, dass sein Geruch mich vollständig umgibt. Hitze strahlt von ihm aus wie von meinem Heizstrahler im Bad. Ah, deshalb ist mir so warm. Ich fühle mich verschwitzt. Ich bin sicher, wenn ich meine Stirn berühre, ist sie feucht. Das ist unangenehm, denn dann rieche ich vielleicht auch. Nach Schweiß, nach Erregung, nach mir.

Halt! Ich fliehe aus dem Raum, stoße an den Türrahmen, torkele unbeholfen durch den Flur. Er ist hinter mir und ich fühle mich verfolgt. So dicht, gleich hat er mich!

 

 

Foto: © piotr_marcinski – depositphotos.com

2 Gedanken zu “Ein kurzer Einblick

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