Eine Treppe

Die Treppe sieht aus dieser Perspektive so viel steiler aus als sonst, als hätte sich die Höhe der Stufen verdreifacht. Das Ende kann ich nicht sehen, sie windet sich um die Ecke.

Ich kenne jede Stufe. Hundert Mal, nein, eher tausend Mal bin ich sie schon gegangen, gesprungen, gehastet, geschlichen.

Wie nennt man das, was ich jetzt tun muss? Kriechen? Kraxeln? Beides trifft es nicht wirklich, weil ich die Stufen nicht freiwillig überwinde, sondern hochgezerrt werde. Der Zug an meinen Haaren zwingt mich dazu. Mein Herr, der sich die langen Strähnen fest um die Faust gewickelt hat und meinen Kopf damit in die Höhe seines Oberschenkels bringt, zwingt mich dazu.

Ein Schauder schüttelt mich. Das Bewusstsein, dass ich dabei bin, diese Treppe, die gleiche, die ich jeden Tag x-mal hinauf- und hinuntergehe, nun auf allen Vieren zu erklettern, macht das mit mir. Die Hand in meinen Haaren macht das mit mir. Wie sie es immer tut, wenn ich sie spüre, wenn sie mich packt, mehr als nur meinen Körper überwindet, sondern auch noch mein ganzes Sein dazu.

Nur zögernd lege ich meine Hand auf die erste Stufe, lasse die andere folgen. Ein Stück vorwärts. Noch eines, mein Knie stößt an den kalten Stein. Das Knien ist unbequem, aber das soll es wohl auch sein. Wäre ihm an meiner Bequemlichkeit gelegen, hätte er mir einfach, wie sonst auch, befohlen, nach oben zu gehen. Heute hat er sich anders entschieden.

Ich weiß, was er damit bezweckt. Mein Kopf kann das genau erklären, verstehen, analysieren. Aber es bleibt nicht nur Bauchgefühl. Ein Teil meines Gehirns schaltet um, wenn er das tut, mich so anfasst, so ansieht, so anspricht. Ich reagiere darauf, und wie. Herzklopfen, kürzere Atemzüge, manchmal sogar unscharfer oder Tunnelblick, oder ein Rauschen in meinen Ohren. Intensiv sowas, vielleicht das, was ein Skifahrer vor einer besonders schnellen Abfahrt spürt oder ein Fallschirmspringer vor dem Absprung. Zugleich eine Art Gelöstheit, innere Ruhe, Fokussiertheit.

Nicht zu vergessen die Geilheit. Nein, keine sanfte Erregung, wie nach einem Kuss oder bei dem Anblick seiner nackten Brust. Viel mehr, anders. Eben Geilheit. Verlangen, Sucht, Gier.sensual woman

Ich bin schon drei Stufen gekrabbelt, langsam immer noch, aber stetig.

Etwas lässt mich zögern. Mist, ich weiß, was es ist. Ein letztes Aufbäumen der anderen Hälfte meines Verstandes. Die, die mich zur Rede stellen will, die mich an Emanzipation, Gleichberechtigung, Würde erinnert. Für einen Moment überlasse ich mich diesem Anfall des Wahns, dann bin ich wieder in der Spur. In der, die mir sagt, dass dies meine Art der Freiheit ist, meine Wahl, mein Wunsch, mein Wille.

Ein inneres Aufrichten ist die Folge, eine andere Haltung. Auch wenn ich hier auf den Knien liege, stehe ich innerlich mit geradem Rücken, erhobenem Kopf, stolzem Blick.

Hat mich die Hand gestreichelt, die mich führt? Möglich ist es. Er ist sehr einfühlsam.

Mit dieser Erkenntnis kommt eine andere. Er hat es nicht eilig. Er übt zwar Zug aus, aber er zerrt nicht, schleift mich nicht nach oben. Stattdessen lässt er mir Zeit, meine Zeit. Der Zug ist mehr Ermunterung, Stärkung. Wie eine Hand, die dich am Rücken an einer schwierigen Stelle am Klettersteig nach oben weist. Ein „du kannst das“ mehr als ein „du musst das“.

Eine Welle von Liebe überflutet mich. Ich verdrehe meinen Kopf, bis ich ihn anschauen kann. Er zieht eine Augenbraue nach oben. Eine wortlose Frage nach meinem Befinden. Meinem Wohlbefinden.

Ich nicke beinahe unmerklich.

Die restlichen Stufen geht es schnell voran. Weil ich es so will.

Sein Zug wird stärker, die Hand greift fester.

Ein Beben, Kribbeln im Unterleib, Feuchtigkeit zwischen meinen Schamlippen, schwere Brüste, harte Nippel, trockener Mund. Keuchen. Stöhnen. Oh Gott, ja, genau so.

 

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