Sie trägt den kurzen Jeansrock, der ihre Beine so schön zur Geltung bringt. Sandalen mit Absatz und endlich – endlich! – keine Strümpfe mehr. Auch keinen Slip, aber das kann ja niemand sehen.
Es ist warm; überraschend, heißersehnt, hormonankurbelnd warm. Das Shirt musste sie ganz hinten aus dem Schrank zerren, sogar noch schnell bügeln, so sehr war es gequetscht worden von Pullovern und langarmigen Monstrositäten. Diese wird sie am Wochenende dorthin verbannen, wo sie das hellgrün Leuchtende herholte. Es hat eine Signalfarbe, beinahe – aber nur beinahe – neongrün. Auffällig. Ein schaut-alle-her-es-ist-Frühling-Shirt. Sie seufzt. Könnte man doch nur diejenigen aussuchen, die hinschauen!
Egal, heute darf jeder schauen. Sie tut es auch. Sie muss nach demjenigen suchen, der ihren Bedingungen entspricht. Es gibt nur vereinzelte Exemplare: Männer in engen T-Shirts, die die Oberkörpermuskulatur nachzeichnen. Oberarme, die so dick sind wie Baumpfähle. Nackenmuskeln, die den Ausschnitt dehnen; große Hände, die verschwitzte Haare verwuscheln.
Nur knackige Hintern sieht sie keine. Weder bei den jungen Männern noch bei den alten. Nicht bei den Sportlichen und nicht bei den Faulen. Sie hat es aufgegeben, danach zu suchen, findet man doch nur labberige Hosen, die alles Knackige, so es denn vorhanden sein sollte, verbergen.
Bei ihrem Hintern ist das anders. Der Rock ist gerade so eng, dass er die Form der Backen nachzeichnet, die Spalte dazwischen erahnen lässt. Er schmiegt sich um jede Kurve, so dass klar ist, dass er rund und prall ist, nicht eingedellt oder weich.
Die wenigen Männer, die sie anziehend findet, genügen, um die Fantasien, die sie den ganzen Tag begleiteten, anzuregen. Der Erste, der ihr ins Auge fällt, entspricht so gar nicht ihren Vorgaben. Trotzdem käme er in Frage. Einer mit grauen Schläfen, dunklen Haaren und Vollbart, blauäugig, schlank und groß. Der würde ihr zusagen. Er ist nicht übermäßig muskulös, aber er hat Fältchen, die verraten, dass er gerne lacht, und das macht den Muskelmangel wett.
Oder der Große dort, Mitte zwanzig, ein Bodybuilder womöglich. Er macht eine obszöne Geste mit der Zunge. Nein danke, nicht ihr Niveau. Und Jogginghosen töten auch den Ansatz von Verlangen. Wenn der die Auswahl sein sollte, wird sie einfach vorbeigehen.
Da, bei diesem Mann, der so lässig an einem Auto lehnt, schlägt ihr Herz schneller und sie muss lächeln. Er entspricht genau ihren Vorstellungen. Das Auffallendste an ihm ist, dass er sie gespannt fixiert, genauso wie sie üblicherweise ihn. Sie ist es gewohnt, seine Wünsche aus kleinen Gesten oder kurzen Befehlen, manchmal sogar von den Augen abzulesen.
Heute steht aber der neben ihm im Mittelpunkt. Ein Fremder. Kaum kleiner, sportlich, die dunklen Haare ein wenig zu lang, das Kinn ein wenig zu kantig für ihr Gefühl. Hübsch. Nein, mehr als das. Und mit diesem autoritären Blick, den sie nun schon so gut kennt und der sie zittern lässt.
Ihr Lächeln gefriert. Sie schluckt heftig. Und ist augenblicklich nass. Sie weiß, dass das Shirt jetzt ihre Erregung nachzeichnet, für alle sichtbar, besonders für die Männer vor ihr. Beide schauen sie an, beide grinsen. Wissend, ein wenig arrogant, aber auch erwartungsvoll. Zu Recht. Ihr Kommen sagt alles.
„Schön, dass du da bist. Das ist mein Kumpel. Er freut sich schon sehr auf dich.“
Ihr Freund legt seinen Arm besitzergreifend auf ihren Rücken, die Hand vertraulich auf einer Rundung des Hinterns. Der Begleiter beugt sich vor und küsst sie leicht auf die Wange. Sein heißer Atem streicht über sie, die Worte nur ein Flüstern, allein für sie bestimmt.
„Ich freue mich sehr auf den Dreier. Du bist noch süßer, als er es beschrieben hat. Bald werden wir dich bis zum Anschlag füllen und du wirst unsere Namen schreien, während du kommst und kommst und kommst.“
Prompt hat sie Gänsehaut. Ihre Augen glühen genauso wie die Wangen. Röte überflutet das tiefe Dekolleté. Sie kann ihre Erregung riechen, die sie auf dem ganzen Weg begleitete, sich jetzt mit dem Duft des Frühlings vermischt. Das ist es, was sie will. Es ist ihre Art, die Explosion der Lebensenergie zu feiern.
Sie ist nicht hier, weil er es befahl. Er ließ ihr die Wahl, nannte ihr nur den Treffpunkt.
Ihr Herr weiß, dass sie manche Entscheidungen selbst treffen muss.
Nur die Sache mit dem Slip ist eine seiner Vorgaben, wie immer, wenn sie einen Rock trägt. Sie soll jederzeit zugänglich sein.
Es ist schließlich Frühling und endlich warm genug.
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