Manchmal reicht eine Geste

Es gibt Tage, da genügt eine einzige Geste. Ein fester Griff. Ein besonderer Tonfall.

In einer BDSM-Beziehung gibt es viele Möglichkeiten, das Machtgefälle auszuleben. Man kann „Szenen“ planen, Rollenspiele einarbeiten, spontane Spankingsessions haben, in einem „Spielzimmer“ oder in einem Club „spielen“.

Oder man lässt sich von kleinen, vielleicht auch unbedeutenden Zeichen in die richtige Stimmung bringen.

Mein Partner greift mir in der Öffentlichkeit unter den Rock. Blitzschnell und so, dass niemand es sehen kann. Mein Kopf weiß das, aber meine Emotionen, mein Körper, meine submissive Seite weiß es nicht. Und sie gewinnt immer. Mein Herzschlag explodiert geradezu, ich bekomme Gänsehaut, mir wird erst eiskalt, dann übermäßig heiß, weil ich das Gefühl habe, dass ich vor aller Augen bloßgestellt wurde. Dass mit diesem Griff mehr als ein Stück Haut, möglicherweise auch meine Veranlagung offenbar wird. Eine gleichgestellte oder dominante Frau lässt sich nicht so anfassen. Eine emanzipierte Frau würde dem Mann eine überbraten, verbal oder physisch. Und was noch schwerer wiegt: Der Mann würde nie auf die Idee kommen, sie überhaupt so anzufassen.

Denke ich.

Glaube ich?

Weiß ich!

Also protestiere ich zaghaft, beinahe heuchlerisch, aber nicht zu sehr, damit nicht durch die Proteste Aufmerksamkeit auf uns gelenkt wird. Zugleich überkommt mich Verlangen, ja sogar Geilheit, weil er mit einem Griff einen Trigger ausgelöst hat, der meine submissive Seite anspricht. Ich werde feucht. Ich wünsche mir mehr, während der Verstand noch sagt: „Das darfst du nicht!“

Es gibt Paare, die auch in der Öffentlichkeit mit allen D/s-Paraphernalien auftreten, die also ihre Neigung und die Machtverteilung für jeden sichtbar machen. Das ist nicht mein Fall. Außerdem würde mir gerade diese Möglichkeit fehlen, das Spiel zu genießen. Die Gefahr von Aufdeckung macht den Reiz aus, der gänzlich verschwindet, sobald ich mit offenen Karten spiele.

Wollen wir erwischt werden? Natürlich nicht, dazu sind die Menschen in unserer Umgebung zu kleinbürgerlich, zu bigott, zu intolerant. Obwohl, wer weiß, was alles hinter verschlossenen Türen passiert?

Wäre es nicht lächerlich, wenn alle das Gleiche zu verbergen trachten, weil jeder gegenüber seinem Nachbarn Vorurteile hegt? Nein, ich fürchte, so ist es nicht.

Und außerdem: Dann würde unser Spiel schon wieder keinen Spaß machen. Besser es bleibt so.

Die Spannung ist kaum auszuhalten, wenn ich wieder einmal darauf warte, was er sich heute einfallen lässt. Eine Hand auf meinem Hintern, die nach außen unschuldig wirkt, aber in Wirklichkeit drückt sich ein Finger auf meinen Anus? Ein Streicheln, das genau den Striemen des Floggers nachzeichnet, der unter dem Stoff verborgen ist? Ein Schnipser über die Brustwarze, die noch schmerzt von den Klammern in der Nacht zuvor?

Was auch immer, es löst erneut das Schaudern aus, dieses köstliche Überrieseln von Wärme, die leichte Schwäche in der Knieregion, das Flattern im Bauch.

Und schon sind wir wieder mittendrin.

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