SM-Blogparade: Kommunikation und social media

„Wir hatten früher ja nichts.“

Virginia verdrehte ihre Augen, wie sie es zuletzt als 14-jährige getan hatte. Erst nach einer kompletten Umdrehung fiel ihr auf, dass Granny gar nicht weitergesprochen hatte. Jetzt entdeckte sie das Zwinkern in den Augen ihrer Großmutter.

Als fühlte Granny sich ertappt, schaute sie auf die Augenmaske, die sie schon seit einer Weile in den Händen drehte. Die Maske, die Virginia ihr bei ihrer Ankunft als Weihnachtsgeschenk übergeben hatte. Die mit der Aufschrift ‚Be naughty‘. Alleine bei dem Anblick fing Virginias Herz an zu pochen. Sie hatte sich auch eine Maske gekauft. ‚Yes, Sir!‘ stand darauf. Die hatte sie getragen, als Daniel …

„Wir hatten kein Internet, und schon gar kein Twitter oder Facebook und wie das alles heißt.“

„Granny, tu nicht so, als wüsstest du nicht, was das ist. Ich kenne deinen Instagram-Account.“

„Heute weiß ich es. Aber damals nicht.“ Sie seufzte leise, dann legte sie die Maske flach auf den Tisch und bedeckte sie mit beiden Händen. Das Alter sah man Granny nur an diesen Händen an, und das nur wegen der Arthrose, die Grannys Knöchel verformt hatte. Im Winter musste sie Schmerzen haben, ahnte Virginia. Granny würde sich nie deswegen beschweren, sie war tough und verdammt fit.

„Was hättest du denn anders gemacht, wenn du Internet und Facebook gehabt hättest?“

„Ich hätte mein Leben anders gelebt.“

Virginia staunte. Nie hatte Granny angedeutet, dass sie unzufrieden gewesen war. Hatte sie Großvater gar nicht geliebt?

Granny schaute auf. „Das hättest du nicht erwartet, oder? Aber ja, es ist so. Wir haben viel zu viele Jahre verschenkt, die wir so viel intensiver und glücklicher hätten sein können. Ich habe das erst entdeckt, als es praktisch zu spät war.“

„Was hast du entdeckt?“

„Das, was du jetzt auch kennst. Die Intensität, das fantastische Gefühl von Striemen auf dem Hintern.“

Virginia zuckte zurück, was leider genau diese Striemen wieder in Kontakt mit der Sitzfläche brachte. Sie verlagerte das Gewicht diesmal nach links vorne in der Hoffnung, diese Stelle sei weniger betroffen. Was sich als Fehleinschätzung erwies. Daniel war sehr gründlich gewesen.

„Granny, ich weiß nicht …“

„Ach Ginny, es ist gut. Einer alten Frau musst du nichts vormachen. Außerdem kannst du das innere Glühen nicht verstecken.“ Sie lehnte sich gemütlich zurück und ließ ihren Blick über ihre Enkeltochter schweifen. „Übrigens schaut über dem Rollkragen noch ein Abdruck raus. Und deine Ärmel sind ein Stück hochgerutscht.“

Mist! Ginny hatte sich so sehr bemüht, die Spuren der Session von gestern Nacht zu verbergen. Daniel hatte sie ans Bett gefesselt, ihren Hintern mit dem Paddle bearbeitet und sie danach so hart gefickt, dass es mit ihm durchgegangen war. Er hatte sich hinterher für den Biss in den Nacken entschuldigt, wobei Ginny es unglaublich heiß fand, dass die Leidenschaft ihn so im Griff gehabt hatte. Das hatte sie ihm heute Morgen gesagt, was wiederum zu einem Quickie geführt hatte, dessen Nachbeben sie jetzt noch durchliefen.

Aber … Moment! „Was weißt du von solchen Spuren, Granny?“

„Genau das war es, was wir entdeckt haben und endlich benennen konnten. Damals, als diese Bücher so bekannt wurden.“

In Ginnys Kopf überschlug sich alles. Diese Bücher? Die waren doch noch gar nicht so lange auf dem Markt. „Wann war das, Granny?“

„Vor sieben Jahren. Ich habe sie ohne große Erwartungen gelesen, aber dann … war auf einmal klar, was ich die ganzen Jahre vermisst hatte. Ich gab sie James zu lesen. Ihm ging es genauso.“

„Aber Grandpa ist vor sechs Jahren …“ Ginny konnte das Wort nicht aussprechen. Noch immer empfand sie körperlichen Schmerz bei dem Verlust.

„Ja, mein Schatz. Wir hatten gerade begonnen, unsere Sexualität neu und auf ganz besondere Art zu entdecken. Dann kam der Krebs.“

Ihr Großvater war innerhalb von wenigen Monaten dahingerafft worden. „Oh, Granny!“ Ginny fasste die Hände ihrer Großmutter über den Tisch und drückte sie fest.

„Es ist gut, Kind. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Nur die Zukunft.“

Wie auf Kommando summte Grannys Smartphone und das Display leuchtete auf. ‚Match!‘ Stand da in leuchtenden Buchstaben. Granny löste ihre Hände aus Ginnys Griff und checkte die Nachricht. „Sieht so aus, als hätte ich heute noch ein Date. Ich fürchte, ich muss dich rauswerfen.“

Ginny war kaum fähig, all diese Informationen auf einmal zu verdauen. „Du bist auf einer Datingplattform angemeldet?“

„Ja, Schatz. Das ist eine fantastische Erfindung. Man kann genau angeben, welche Vorlieben man hat.“ Sie zwinkerte Ginny zu. „Nicht nur, was das Aussehen betrifft.“

Oh Gott. Kätzchen! Kaninchen! Nein, die nicht. Katzenbabys! Kleine, süße Kitten … Ginny versuchte, das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben, wie Grandma ihre sexuellen Vorlieben abhakte. „Dann gehe ich lieber. Ich bin auch noch mit Daniel verabredet.“ Wenn man das so nennen konnte … Ehe sie losgefahren war, hatte er Ginny gepackt, sich an ihren Rücken gepresst und ihr mit tiefer Stimme ins Ohr geflüstert, was er heute Nacht mit ihr plante. Dabei waren Worte wie Plug, Nippelklemmen und Wäscheklammern gefallen, alles andere verschwamm in einem Rausch von Lust. Ihre Muschi produzierte einen Schwall Feuchtigkeit und ihr ganzer Unterleib pulsierte.

„Siehst du, deshalb ist das heute viel besser. Einen Mann wie Daniel lernt man nur mit Hilfe des Internets kennen.“

Ginny trank ihren Kaffee aus und schob die Tasse zurück. „Das stimmt nicht ganz, Granny. Ich habe Daniel analog kennengelernt. So richtig altmodisch.“

„Tatsächlich? So wie wir früher? Hat er dich angesprochen? Zum Kaffee eingeladen oder zum Tanzen?“

Tiefe Röte überzog Ginnys Gesicht. „Nicht wirklich. Es war ein bisschen anders. Vielleicht ist analog da das falsche Wort.“

„Was gibt es denn noch für Möglichkeiten?“

„Wünsche, Granny. Ich habe mir ihn von Santa Claus gewünscht.“ Und bekommen. Aber das brauchte sie nicht anzufügen, das wusste ihre Großmutter bereits seit dem Telefonat nach dieser ersten, unglaublichen Nacht.

„Von Santa Claus? Wie schön! Dann hat das Vorlesen in der Weihnachtszeit ja doch etwas gebracht. Nun aber los, Ginny, ich muss mich fertig machen.“ Granny griff sich Smartphone und Augenmaske und legte sie zum Autoschlüssel. „Heute sind meine Wünsche an der Reihe. Wünsch mir Glück!“


Ich bin Geschichtenschreiberin, deshalb beginne ich die SM-Blogparade: Kommunikation und Social Media mit einer Geschichte.

Kommunikation ist im Bereich BDSM wohl das Wichtigste überhaupt. Während und nach einer Session. Und überhaupt: vor dem Kennenlernen, vor dem ersten Date, vor der ersten Session.

Informationsbeschaffung ist genauso wichtig, ob im Netz oder beim Gespräch mit Menschen, die sich auskennen. Nur Vorsicht, nicht alle kennen sich aus … Deshalb haben sich für diese Blogparade Menschen zusammengetan, die alle Ahnung von dem haben, worüber sie schreiben: BDSM.

Wie alle Beteiligten der Blogparade lebe ich BDSM (auf unsere Art) mit meinem Mann aus.

Wer wissen will, wie genau Virginia Daniel kennengelernt hat, kann die Geschichte ‚Dear Santa‘ in der gleichnamigen Anthologie nachlesen, die gerade frisch bei Amazon erschienen ist. Sie ist eine von sechs erotischen Stories, geschrieben von sechs Autorinnen und schon für 99 Cent zu haben.

Wie die anderen Blogger und Twitterer ihre Texte gestalten, seht ihr immer dienstags und freitags, wenn ein neuer Beitrag online geht. Diese werde ich jeweils nach Erscheinen hier verlinken. Bis dahin könnt ihr euch schon mal umschauen.

Bereits erschienene Beiträge:

LessDressedStories

Die Gespielin

Tomas Bordemé

Madame Fatale

Whispered Stories

Leyla Femme

Sofies geheime Welt

Paige Dark

Tanja Russ

Training of O

14 Gedanken zu “SM-Blogparade: Kommunikation und social media

  1. Pingback: SMBlogparade reloaded | Tomasz Bordemé

  2. Ich musste bei der Story an meine Mutter denken.

    (Einschub: Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz mal im Zusammenhang mit einer erotischen Geschichte schreibe.)

    Bei Ihrer Beerdigung war so ein Typ, den ich nicht kannte, dem die Sache nahe ging. Es stellte sich heraus, dass seit über einem Jahr einen Lover hatte, und sie sich nicht getraut hatte, mir (quasi dem Nesthäkchen) davon zu verraten. Fand ich schon irgendwie komisch, weil wir ein sehr gutes Verhältnis hatten und ich sie mindestens 1x die Woche besuchte. Hauptsächlich fand ich es aber süß und irgendwie auch verdammt cool. Ich hab es ihr nachträglich absolut gegönnt (wieso auch nicht?) und habe ihn dann natürlich auch zum Leichenschmaus eingeladen.

    Schöne Geschichte, Margaux.

    • Oh, das ist sehr berührend!
      Ich habe tatsächlich schon öfter gehört, dass alte Menschen vieles anders gemacht hätten, wenn sie nur die Möglichkeiten des Internets und der Social Media gehabt hätten. Gerade wenn das Interesse über Blümchensex hinausgeht.

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