Ihr erinnert euch? Das Kreuzfahrt-Buch? Es ist noch in Arbeit. Bei meinen Testlesern, um genau zu sein. Es geht also voran …
Liliana, die zweite Protagonistin, stammt aus Portofino. Sie hasst die Enge des Ortes und träumt davon, ihm endlich zu entfliehen. Vielleicht ist dieser Mann, den sie eben kennengelernt hat, Brandon, ja der Richtige dafür?
Dann lest doch mal diesen Schnipsel:
„Komm, hier entlang.“ Er führt mich durch den Innenbereich zum Vorderdeck. Auf der landabgewandten Seite befindet sich eine riesige Loungegruppe, eine Mischung aus Sesseln und Liegeflächen, auf der sich ein Dutzend Leute hätte tummeln können. Aber wir sind alleine, nicht einmal einer der Mannschaft ist zu sehen. Nur ein Kühler mit einer Flasche und zwei Gläsern, als habe er auf mich gewartet.
„Möchtest du dich erst frischmachen?“
„Ja, gerne.“
Brandon weist auf einen Abgang. „Gleich rechts.“
Beim ersten Schritt auf der Treppe halte ich einen Moment inne. Warum bot er mir an, mich frischzumachen? Weiß er etwa … Nein, unmöglich. Wir waren zu weit weg. Und doch … Die Yacht liegt am weitesten vorne, der Liegeplatz gerade am Ende der Mole. Möglich ist es, dass er uns beobachtet hat.
Mein Herz klopft auf einmal wie wild. Was hat das zu bedeuten? Was hat er beobachtet? Wie soll ich darauf reagieren? Während ich die Toilette benutze und mich mit einem der Gästetücher abwasche, gehen mir tausend Fragen durch den Kopf. Ich kann keine davon beantworten. Ich muss alles auf mich zukommen lassen.
Er hat bereits eingeschenkt und drückt mir ein Glas in die Hand, dann weist er auf eine Stelle der Sitzgruppe und setzt sich mir gegenüber. Immerhin keiner der Sorte, die sofort in den persönlichen Bereich eindringen. Beim Herumschauen fällt mir auf, dass dieser Platz eine der wenigen Stellen ist, von der aus man keine Sicht auf die Häuser hat. Nur Hafen und Meer breiten sich vor mir aus.
Die Lichter gehen an, es wird langsam dunkel. Nach dem ersten Schluck Champagner – tatsächlich besser als alles, was ich bisher getrunken habe – schaue ich mich genauer auf dem Boot um. Ein langes Rohr auf einem Gestell ganz vorne fängt meinen Blick. Ein Fernglas. Scheiße.
„Du hast mein Spektiv entdeckt.“ Auf meinen fragenden Blick ergänzt er: „Das Teleskop.“
„Beobachtest du gerne heimlich?“
Er lacht. Ein nettes Lachen, offen und herzhaft, es lässt seine Augen funkeln und zeigt seine weißen, gleichmäßigen Zähne. Ich nutze die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Strähnen seines dunklen Haars fallen über eine hohe Stirn. Er dürfte Mitte vierzig sein, zumindest lassen ein paar graue Haare an der Schläfe darauf schließen, dass er kein junger Mann mehr ist.
„Ja, Sweetheart, das tue ich.“
Die altertümliche Bezeichnung bringt mich zum Lächeln.
„Verrätst du mir, wie du heißt, junge Frau?“
„Liliana oder einfach Lil.“
„Miss Lil, ich gestehe: Ich habe dich beobachtet. Und mir hat gefallen, was ich gesehen habe. Eine Frau mit Biss, die austeilen und auch einstecken kann.“
Die Röte ist unvermeidlich. Nicht unbedingt Scham, eher eine Mischung aus Empörung und Erregung. Zu wissen, dass er mich beobachtet hat, lässt mich unruhig auf dem Sitz zappeln. Hat er alles gesehen? Auch die Ohrfeigen? Oder nur den letzten Teil, den ich scheinbar unterwürfig auf den Knien verbrachte?
„Ich wollte es“, platzt es aus mir heraus und im gleichen Moment frage ich mich, wieso mir so wichtig ist, dass er das erfährt.