Vorfreude – eine Blogtour: Bärenattacke

Kennst du das Geräusch?

Zuerst ist es eine Art Flappen, dann klimpert es ganz leise und zuletzt folgt ein langes Surren – je länger, desto besser.

Dieses Geräusch … Es lässt meinen Herzschlag explodieren, den Mund trocken werden, macht mir heiß, erhöht meinen Adrenalin- und Endorphinspiegel um das Hundertfache und ich habe keine Ahnung, welche Hormone noch produziert werden. Eine Menge und nicht nur Glückshormone, das steht fest.

In mir entsteht eine Mischung aus tausend verschiedenen Gefühlen.

Hauptsächlich Vorfreude und Angst.

Ja, du hast richtig gelesen: Angst ist mit dabei, sie ist ein ganz wichtiger Teil der Vorfreude.

Nicht immer bedeutet Vorfreude, dass Einhörner in einer Lichtung über eine Wiese springen. Ehrlich gesagt, ist das auch nicht das Bild, das bei mir für Vorfreude sorgt. Ich brauche etwas anderes. Etwas Dunkleres, etwas mit mehr Gewicht, etwas Bedrohlicheres. Denkst du jetzt an einen großen Bären? Dann kommt das ungefähr hin. Gute Vorfreude ist der Anblick eines Grizzlys, der aus einem düsteren Wald auf mich zukommt, sich langsam aufrichtet, die Augen fest auf mich fixiert, der den Rachen aufreißt und mir zwei Reihen sehr scharfer Zähne präsentiert.

Und Krallen, sagst du? Okay, definitiv Krallen. Etwas, dem ich nicht entkommen kann. Etwas, von dem ich weiß, dass es mich fangen wird, mich zu Boden reißen, mich überwältigen wird.

Natürlich will ich nicht gefressen werden – und doch … Ich will, dass es sich so anfühlt, als würde ich gerade von einem Bären niedergemäht. Ich will, dass es so wirkt, als würde ich überwältigt, als wäre ich hoffnungslos unterlegen.

Zum einen geht es dabei um das Gefühl, machtlos zu sein. Nicht nur machtlos, weil ich ihm nicht entkommen kann, vor allem machtlos derart, dass ich etwas bekomme, von dem ich ungern zugeben möchte, dass ich es brauche.

Denn ich möchte überrannt werden, überwältigt werden. Hilflos meinen Trieben, meinem Verlangen ausgeliefert sein.

Bin ich machtlos?

Würde ich mich von außen betrachten oder nur mit klarem Verstand und ungetrübt von Hormonen darüber nachdenken, zum Beispiel wenn ich hinterher reflektiere, was geschehen ist, wüsste ich, dass ich nie machtlos bin oder war. Dass ich sogar sehr viel Macht besitze, zum Beispiel die, das Ganze abzubrechen. Aufzustehen und zu gehen. Würde ich das tun, würde der Bär mich nicht einfangen, würde mir nicht in den Rücken fallen, würde mich nicht von den Beinen holen. Ich würde keinen Schmerz erleben, keine Unterwerfung, keine Machtlosigkeit.

Wobei … Wann habe ich diesen angeblich klaren Verstand? Nicht nach einer Session. Auch nicht davor. Sobald ich daran denke, fallen all die Bilder, die Gerüche, die Gefühle wieder über mich her. Manchmal die Erinnerung an die echten, manchmal nur die von mir erdachten. Immerhin bin ich Autorin, ich habe Fantasie, sehr viel sogar, ich „sehe“ Situationen nicht nur, ich fühle sie auch. Allzu oft sitze ich mit feuchtem Höschen am PC, klopft mein Herz, als wäre ich selbst in der Situation, die ich da beschreibe, würde ich die Schmerzen empfinden oder das Gefühl der Hilflosigkeit in einer Fesselung. Also kann ich nicht unbeteiligt urteilen, kann nie objektiv sein.

Immer fühle ich etwas, bin ich mittendrin.

In der Situation, in der ich diese Geräusche höre. Das Surren, das letztlich verrät, was da geschieht. Dass Leder durch Schlaufen gezogen wird. Die Handlung danach nehme ich kaum noch wahr, dennoch kenne ich sie. Ich weiß, dass er das Leder in eine Schlaufe legt. Ich weiß, dass er es um seine Faust wickelt.

Ab hier steigt die Vorfreude ins Unermessliche. Immer noch eine Mischung aus Freude und Angst. Erwartung, die mich zittern und zugleich hoffen lässt. Auf das Auftreffen. Auf das, was folgt.

Vorfreude Blogtour BDSM Autorin

Es ist gleichgültig, wie lange dieser Zeitraum ist zwischen dem ersten Ton und dem lauten Klatschen. Die Länge des Wartens macht es nicht intensiver, weil ich weiß, was folgt. Ich werde höchstens ungeduldiger. Mein Sehnen wird größer. Nicht die Angst. Niemals die Angst, auch wenn sie anwesend ist. Sie simmert unter der Freude. Sie ist der Bass, der alles unterlegt, der dem Akkord die Fülle gibt.

Die Vorfreude endet erst, wenn der Schmerz mich erreicht. In diesem Moment wird sie ausgelöscht, völlig vernichtet durch ein anderes Gefühl, nach dem ich mich gesehnt habe, das ich erst in diesem Moment zugeben und letztlich auch genießen kann. Das Wissen, dass ich etwas bekomme, was ich brauche, etwas das mir hilft, das mich reinigt.

Ich weiß, es ist schwer nachzuvollziehen für Menschen, die das nicht brauchen. Weil es mehr ist als die Lust auf ein Eis, als ein Verlangen nach Sex, als der Wunsch, einen Höhepunkt zu erleben. Dieser Wunsch ist so viel intensiver, so wie der Schlag härtere Auswirkungen hat als ein oberflächlicher Popoklatscher. Kein bisschen subtil, kein Späßchen dabei, kein Lachen. Der Schmerz dringt tief in mich ein, krallt sich in jede Zelle meines Körpers und schaltet im Verstand alle Lichter aus. Er lässt mich extrem fühlen, er fordert alles von mir, er gibt mir Stärke während er mir zeigt, wie schwach ich bin.

Manchmal brauche ich das.

Warum?

Vielleicht ist es eine Möglichkeit, mich meinen Ängsten zu stellen? Mich hinzugeben und mir letztlich beweisen zu lassen, dass ich das aushalten kann?

Es ist Teil des besonderen Kicks, den ich mir im BDSM-Kontext verschaffen kann. Hier geht es nicht um eine Fesselung, die mich hält, um ein Spanking, das mir meinen Körper bewusst macht. Vielleicht hat es etwas mit der Überwindung von Urängsten zu tun. Es ist die Erkenntnis, dass ich mehr brauche als andere, dass mir etwas guttut, was normalerweise schlecht ist. Und so auch die Akzeptanz meines Selbst, meiner Wünsche.

Bis es so weit ist, genieße ich die Vorfreude. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Spiels, sie sorgt erst dafür, dass ich es genießen kann.


Wie ich Vorfreude literarisch verarbeite?

Du willst lieber einen literarischen Text lesen als meine Meinung? Aber sie fließt immer auch in meine Bücher ein. Hier ein Ausschnitt aus Secret Wishes: Step Six:

Er hob den Ast wieder auf und Autumn spürte, wie Feuchtigkeit ihre Muschi überflutete, während gleichzeitig alles Blut in ihre Mitte zu fließen schien. Der Dorn kratzte über die zarte Haut zwischen ihren Brüsten, dann umrundete er sie, zog endlich eine Spur von oben nach unten, zuerst rechts, dann links, umging dabei ihre Nippel nur geradeso. „Du hast die Nadeln ertragen. Erträgst du das hier auch? Macht es dich an?“

Als Autumn ihn nur anstarrte, mit offenem Mund, keuchend, die Augen glasig, hakte er nach. „Antworte, Vixen!“

„Ja, Master. Es macht mich an.“

„Der Dorn oder die Angst davor?“

„Die Angst davor, Master.“

„Ist es das, was du spüren willst? Angst?“

„Auch, Master.“

„Was noch?“

„Ich will spüren, wie ich sie überwinde. Ich will sehen, ob ich trotzdem hierbleiben kann. Ich will spüren, was du mir gibst. Den Schmerz, die Vorfreude, die Hiebe und das Kratzen. Alles zusammen.“

„Ist dieses Gefühl stärker als das, was dich zurückhält?“

„Jetzt ja.“

„Dann lass es zu. Lass es deine Zweifel davonschwemmen. Du kannst die Angst überwinden, du kannst aus ihr Freude beziehen, sogar Lust. Dieses Gefühl zeigt dir, dass du stark bist, dass du keine Angst haben musst, dass du mutig bist. Lass es zu, lass es in dich fließen, dann bist du stark, dann bist du mutig.“

Sie nickte nur, gefangen von seinen Worten, gefangen von dem Gefühl, das sie in ihr auslösten. Stärke? Ja, verdammt. Sie war stark. Eine Frau, die vor Angst in die Knie ging, würde nicht hier stehen. Würde nicht den Dorn anschauen, die Hand küssen wollen, die sie kratzte, würde nicht den Mann lieben, der das für sie tat.


Das ist mein Beitrag zur Blogtour Vorfreude, bei der 9 Autor_innen und Blogger_innen Texte zum Thema veröffentlichen. Die Blogs, auf denen die Texte veröffentlicht werden, sind im vorherigen Beitrag bereits verlinkt, die Links zu den in den nächsten Tagen erscheinenden Beiträgen werde ich unten aktualisieren, sobald sie online sind.

Lass dich überraschen, schau dich auf den Seiten um, lies, was für uns Vorfreude bedeutet oder wie wir sie literarisch verarbeiten.

Viel Spaß dabei – genieße die Vorfreude auf das, was kommt!

Deine

Und wie ist es mit dir? Worauf freust du dich ganz besonders im Zusammenhang mit Erotik oder BDSM? Schreib einen Kommentar! Ich bin gespannt …

Hier sind die Links zu den weiteren Beiträgen:

Annabel Rose hat eine sehr schöne erotische Vorfreude für euch aufgeschrieben

Katie McLane freut sich auf das Schreiben

Bei Cate von LessDressedStories geht es eng und heiß her

Kari Karaiti schlägt sich mit der KI

Die Schreibtrainerin und Autorin Ines Witka gibt Tipps, wie man Spannung aufbaut – nicht nur in Vorfreude

Wo die Verbindung zwischen Vorfreude und Erwartung liegt, zeigt uns Kitty Harper anhand von Beispielen

Linda Mignani nimmt dich mit in eine Szene, in der nicht nur Freude herrscht, und schreibt über die Vorfreude auf das Schreiben

Eisbär-Dom führt die Story von Cate weiter

12 Gedanken zu “Vorfreude – eine Blogtour: Bärenattacke

  1. Ja, das liest man aus deinen Büchern heraus. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es in dir aussieht, wenn du deine fantastischen Scenen bis in’s Details beschreibst 👍🏻
    Ich jedoch kenne keine Angst (mehr). Was vermutlich an meiner Lebensgeschichte liegt. Was mich viel mehr reizt ist das Spüren des Ich’s, des eigenen Körpers, das fühlen jeden Zentimeters, der gern am Tag danach noch brennen darf. Die Bestätigung, dass mein Körper und mein Ich erregend sind, Ihn anmachen und damit spiele ich nur zu gern, bis ich bekomme was ich will 💪🏻😋

    • Oh, das ist wunderbar, Schläge wirken auf so vielen Ebenen! Die Angst fühle ich bei Schlaginstrumenten, die ‚wirklich‘ wehtun, bei anderen überwiegt die reine Freude. Danke für deinen Kommentar!

  2. Ein superschöner Beitrag, weil er so offen und ehrlich ist. Man merkt: Jedes Wort kommt aus tiefstem Herzen,
    Eine Bärenattacke ist es für mich nicht, wenn ich Vorfreude spüre, aber ich kann sehr gut nachvollziehen, was Du meinst.
    Wunderschön geschrieben. <3

    • Herzlichen Dank, Annabel! Ja, die Bärenattacke 😉 das gilt tatsächlich für diese Situationen, in denen ich großen Schmerz erwarte.

  3. Jaa.. Was dem einem der Bär, ist dem anderen der Löwe. Ich persönlich praktiziere zwar kein BDSM, obwohl es mich in vielerlei Hinsicht fasziniert und fesselt, bin aber der Meinung, dass sich deine Ansicht, was die Vorfreude angeht, auch auf viele andere Situationen übertragen lässt. Denn wenn dein Bär die Peitsche ist, findet der nächste ihn bereits in einem kleinen Klaps.
    Zu gut kann ich mich in deine Situation hineinversetzen, weil ich selbst oft Szenen schreibe, die mehr anregen, als meine bloße Fantasie. Situationen, die man selbst, so, noch nicht erlebt hat, aber vielleicht gern so erleben würde 😉
    Das Schreiben, genauso wie das Lesen, ermöglicht es eine weitere, parallele Welt zu ergründen. Und für mich, ist das eine Art der Vorfreude. Wenn eine Idee sich in meinem Kopf einnistet und darum bettelt endlich auf Papier gebracht zu werden.

    • Besonders schön ist aber auch, wenn man beschreibt, was man schon erlebt hat 😉
      Danke für deinen Kommentar, Mary.
      Und natürlich lässt sich das auf alles übertragen. Zumindest auf die Art Vorfreude, die das gewisse ‚Schaudern‘ auslöst.

  4. Pingback: Blogtour 2023 „Vorfreude“ | LessDressed Stories

  5. Ich schätze bei Dir sehr die Beschreibung persönlicher Erfahrung, das ist nicht einfach so daher gesagt oder geschrieben. Man spürt das bei Deinen Büchern.
    Viele Autoren oder Autorinnen identifizieren sich nicht mit ihren Geschichten, sie schreiben nur, um gelesen und im kommerziellen Bereich verkauft zu werden.
    Das ist hier anders. Natürlich freust Du Dich, wenn Deine Bücher Erfolg haben, das ist nicht nur legitim, sondern desgleichen die Bestätigung, die Lesererwartung getroffen zu haben. Aber es ist ferner die Vermittlung von gewisser Erfahrung, die für manch einen wegweisend sein kann.
    Danke für Deine Texte und insbesondere Deine Offenheit.

    • Lieber Jäger, danke für deine lieben Worte.
      Ja, das unterscheidet mich gerade in diesem Segment von anderen. Auch meine Offenheit. Ich freue mich, dass du das zu schätzen weißt.

  6. Pingback: Blogparade / Blogtour - Ines Witka

  7. Pingback: Spannung erzeugen mit Vorfreude - Ines Witka

  8. Pingback: Blogtour 2023: Vorfreude – Eisbär-Dom und sein BDSM

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.