Wunschzettelsub

Ein Thema, das immer wieder bewegt und zu dem es sicher eine Reihe von Beiträgen auch auf anderen Blogs gibt. Und doch so wichtig …

Nicht nur wegen meiner neuen Reihe „Secret Wishes“ bin ich mit der Nase auf den Begriff ‚Wunschzettelsub‘ gestoßen. Es gibt übrigens dazu passend den ‚Wunschzetteldom‘.

Was das ist? Nun, ein/e Sub, die/der seinem/ihrem Dom Wünsche nicht nur übermittelt, sondern sie ihm vorgibt. Und ein/e Dom/me, der/die (nur) entsprechend des Wunschzettels seine/ihre Dominanz ausübt. (Ich verwende von hier ab die für mich gängige Konstellation weibliche Sub/männlicher Dom, der besseren Lesbarkeit wegen. Ihr könnt das sicher selbst umsetzen.)

Jetzt rümpfen vermutlich einige meiner Leser die Nase beim Gedanken an einen Wunschzettel, die anderen fragen, was daran Schlimmes sein soll.

In der ‚Szene‘ gibt es Kinkster, die meinen, es gäbe ‚richtiges‘ und ‚falsches‘ BDSM. Die Vertreter von ‚richtigem‘ BDSM meinen, eine Sub hätte grundsätzlich nichts zu bestimmen und deshalb auch nichts zu wünschen. Alles andere würde nämlich dem Konzept der Dominanz und Unterwerfung widersprechen und sei also gar nicht machbar. Ein Dom bestimmt, es geht nach seinem Willen, und nach ihm allein.

Ist das so? Soll das so sein?

Nein. Nicht nach meinem Verständnis.

Okay, ich bin keine 24/7-Sklavin, ich verhalte mich im Alltag nicht unterwürfig (auch nicht ständig meinem Mann gegenüber – was er auch gar nicht will), sondern gehöre zu den 98% aller Subs, die sich ihrem Partner dann unterwerfen, wenn er es einfordert. Alleine diese zugegeben willkürliche und nur von mir geschätzte Zahl sagt aber schon etwas aus: Es gibt nur wenige Menschen, die in einer ganz konsequenten BDSM-Beziehung leben, in der Sub tatsächlich nichts zu sagen hat – um es mal salopp zu formulieren. Ja, ich kenne solche Paare. Aber ganz wenige.

Dieses Konzept beruht auf Konsens. Die Regeln zwischen solchen Paaren wurden irgendwann abgesprochen, die Grenzen und Tabus werden (hoffentlich) immer wieder besprochen, die beiden verbindet (hoffentlich) Zuneigung, sodass es nicht zu Übergriffen kommt, denen sich Sub nicht entziehen kann, und es besteht (hoffentlich) keine emotionale Abhängigkeit der Sub ihrem Herrn gegenüber. So ist zumindest bei den Paaren/Gruppen, die ich kenne.

Gehe ich aber von der Vielzahl an BDSM-Beziehungen aus, die ich insgesamt kenne, so leben diese eben nicht nach diesem Konzept – oder nur für kurze Stunden oder Tage.

Ich behaupte, je weniger Zeit ein Paar in dieser BDSM-Beziehung verbringt, umso wichtiger ist Kommunikation. Damit meine ich keinen Smalltalk. Sondern echte Kommunikation, was eben diese BDSM-Beziehung angeht.

Warum? Weil Wünsche sich ändern, weil sie tagesabhängig sein können (Hormonspiegel, Zyklustag, Stress am Arbeitsplatz oder in der Familie, schon Verkehr beim Hinweg). Eine Demütigung, die mir dann entgegengeschleudert wird, wenn ich gerade von einem Chef in den Senkel gestellt und unterschwellig als unfähig bezeichnet wurde, kann der berühmte Strohhalm sein, der dem Kamel den Rücken bricht – nur als Beispiel.

Da war eben das Wort Wünsche drin, kommen wir darauf zurück.

Lernt sich ein Paar kennen und verabredet sich zu einer Session oder entschließt man sich als bestehendes Paar, ‚es mal zu probieren‘, sollte vorher eine Absprache erfolgt sein. Wie grob oder fein ist sicher unterschiedlich. Ob mit einer Liste, wie sie im Internet kursieren, oder alleine im Gespräch, ist letztlich egal. Wichtig ist nur, dass beide, Sub UND Dom, dem anderen möglichst offen sagen, was sie anmacht und was nicht. Und gerne auch bzw. nicht nur, was sie auf jeden Fall abtörnt oder wovor sie Angst haben (ja, auch ein Dom kann Angst haben, aber das ist ein anderes Thema).

Ist das jetzt ein Wunschzettel?

Was meinst du? Frage dich das selbst.

Für mich ja. Ich habe nämlich Wünsche, und ob ich die nun sage oder sie aufschreibe, ist letztlich egal. Es sind meine Wünsche, manche nur vage, andere sehr konkret. Ich kann diese Wünsche so weitergeben, denn sie sagen dem Dom etwas über mich aus. Sie sagen ihm, wie viel Schmerz ich vertrage oder ob überhaupt welcher gewollt ist, ob ich nur kommen kann, wenn ich in Latex eingeschweißt bin, ob ich nackte Füße lutschen muss, um erregt zu werden oder ob ich mich für meinen Körper so schäme, dass ich nur bedeckt entspannen kann.

Was kann der Dom damit machen?

Er kann diese Wunsche erfüllen, weil er sich kümmert, weil das Wohlergehen seiner Sub für ihn an oberster Stelle steht. Er kann sich aber auch diese Informationen zunutze machen.

Beispiel? Sagen wir mal, ich hätte das letztgenannte Problem. Ich fühle mich nicht wohl in meinem Körper, finde mich zu dick/es gibt Stellen an mir, die ich nicht mag/habe hängende Brüste/Cellulite/was auch immer.

Dom kann jetzt Rücksicht nehmen, dafür sorgen, dass ich von der Stelle abgelenkt werde, kann sich auf andere konzentrieren. Kann mir Komplimente machen für meine schönen Augen usw., also die klassische positive Verstärkung oder Belohnung für richtiges Verhalten.

Vielleicht hat er aber im Gespräch festgestellt, dass ich auch auf Demütigung stehe. Er kann also mein ‚Tabu‘, mich nicht zu zeigen, gezielt ausnutzen, um mich zu demütigen. Nicht im negativen Sinne, indem er mich fertigmacht („Du fette Kuh, dich will doch sonst keiner!“), sondern indem er mich zwingt, mich alleine vor ihm zu entkleiden, ihm diese hängenden Brüste zu präsentieren, ihm meine Cellulite-Beine für Schläge hinzuhalten. Also das Element der Demütigung mit einbezieht. Ganz bewusst. (Um mich am Ende vielleicht/hoffentlich dafür zu loben oder zu belohnen, wenn ich mich überwinde.)

Hat er also nach meinem Wunschzettel gehandelt? Nein. Aber er kennt meine Wünsche UND meine Tabus.

Das Gleiche gilt für alle Wünsche. Eine Sub soll sagen dürfen, was sie sich aus der Beziehung erhofft. Will sie so lange geschlagen werden, bis sie drei Tage nicht mehr sitzen kann? Will sie Ohrfeigen, will sie als Tisch benutzt werden? Dann soll sie das sagen dürfen. Das ist nicht negativ, sondern das ist sogar ein Muss, wenn die BDSM-Beziehung funktionieren soll.

Was Dom damit macht, ist seine Sache. Sub schreibt ihm ja nicht vor, sie jetzt sofort zu schlagen, bis sie nicht mehr sitzen kann, oder sie für den Rest der Session als Tisch zu benutzen. Es bleibt ihm überlassen, ob er ihr ihren Wunsch gewährt oder ihn gezielt verweigert. So wie er entscheiden kann, ob Sub einen Orgasmus haben kann, ganz viele, so viele, bis sie ihn anfleht aufzuhören, oder gar keinen. Das ist seine Sache. Und das macht ihn eben nicht zum Wunschzetteldom.

Es gäbe nur eine Art, wie das Ganz schädlich wäre. Will Sub zum Beispiel als Tisch behandelt werden, kommt ins Hotel und startet selbsttätig die Session damit, sich als Tisch hinzuhocken und rührt sich dann nicht mehr. Ich denke, es ist klar, dass hier etwas schief läuft und dass das garantiert keine BDSM-Beziehung ist, eigentlich überhaupt keine Beziehung.

Und dann sind da noch die Subs und Doms, die von ihren überhaupt nicht kinky Partnern fordern, mit ihnen BDSM auszuüben, in welcher Art auch immer. Hier könnte man von Wunschzettelsub oder -dom sprechen. Aber welcher Partner macht das dauerhaft mit? Ein Dom, der keiner ist, wird mal ausprobieren, einer zu sein, aber ehrlich, für Sub wäre eine solche Beziehung absolut unbefriedigend. Umgekehrt wäre es sogar Missbrauch, wenn ein Dom von seiner Partnerin Unterwerfung und Handlungen einfordert, die diese nicht freiwillig gibt.

Übrigens ist das mit dem Wunschzettel unterschwelliges Thema bei Secret Wishes, wie ihr euch denken könnt. Autumn wird deshalb noch Probleme bekommen, aber es ist wird nicht ständig angesprochen. Weil ein selbstbewusster Dom sich sowieso darüber hinwegsetzt und weiß, dass er kein reiner Wunscherfüller ist, da er die Zügel bei einer Session in der Hand hält.

Noch eines: Es ist auch okay, die irgendwann mal genannten Grenzen zu überschreiten. Nein, nicht einfach so, nicht auf die schlechte Art. Sondern dann, wenn Dom spürt, dass Sub diese Grenze aus einer vagen Angst aufgestellt hat oder er fest daran glaubt, dass Sub mehr verträgt. Ob man vorher darüber spricht oder sich das im Spiel ergibt, ist dabei egal. Hauptsache Sub hat ihr Safeword und weiß, dass es respektiert wird. Aber das ist ja der Grundsatz jeder BDSM-Beziehung, wie ihr wisst. Trotzdem darf man auch mal Grenzen überschreiten, Tabus ankratzen, neu verhandeln oder einfach darüber reden – vorher und hinterher. Sonst bleibt man ja auf der Stelle stehen. Kein Wunschzettel gilt über Jahre oder für immer.

Hier schließt sich der Kreis (siehe oben), denn vieles ist abhängig von der Tagesform, von Input von außen (über Bücher vielleicht?) und Grenzen sind nicht festgemauert, wie wir alle in diesen Tagen wieder schmerzhaft erfahren. Also: miteinander reden ist wie immer die Grundlage für eine erfüllte BDSM-Beziehung – und alle anderen auch!

In diesem Sinne: Habt Spaß, immer mit Konsens, mit dem Blick auf die Risiken und immer mit hoffentlich ausschließlich positiven Nebenwirkungen für alle Beteiligten!

Eure

PS: Wer einen guten Beitrag zum Thema kennt – gern auch konträr – darf gerne den Link in einem Kommentar posten. Danke!

3 Gedanken zu “Wunschzettelsub

  1. Pingback: Hilfe, mich hat der BDSM-Virus erwischt! - Margaux Navara

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